Österreichs Klage gegen den delegierten Rechtsakt zur EU‑​Taxonomie

Redeker Sellner Dahs vertritt österreichisches Klimaschutzministerium

Brüssel, 10. Oktober 2022. Die EU‑​Taxonomie‑​Verordnung ist ein wesentlicher Bestandteil des europäischen Green Deals und des Aktionsplans für ein nachhaltiges Finanzwesen der Europäischen Union. Sie soll klar definieren, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als ökologisch nachhaltig klassifiziert werden können und so zur Erreichung der EU‑​Klimaziele beitragen. Greenwashing soll so ein Riegel vorgeschoben werden; denn Unternehmen können ihre Produkte nur dann als grün bezeichnen, wenn sie diese Anforderungen erfüllen.

Die EU‑​Kommission hat am Silvesterabend 2021 einen Entwurf für den ergänzenden delegierten Rechtsakt zur Taxonomie verschickt. Darin werden Kernkraft und fossiles Gas als ökologisch nachhaltig eingestuft. Österreich hat bereits damals angekündigt eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof einzureichen, um der Aufnahme von Kernenergie und Gas in die EU‑​Taxonomie‑​Verordnung entgegenzutreten.
Nachdem der delegierte Rechtsakt zugunsten von Kernenergie und fossilem Gas wie im Entwurf vorgesehen erlassen worden ist, hat Österreich nun Klage beim Gericht der Europäischen Union eingebracht.
Redeker Sellner Dahs hat die Klage für Österreich mit vorbereitet.

Österreichs wesentliche Kritikpunkte:

  1. Kernenergie
    Kernenergie erfüllt die Vorgaben der Taxonomie‑​Verordnung nicht, darunter ein ganz zentrales Kriterium: Grüne Technologien dürfen nach dem sogenannten „do no significant harm“‑Prinzip keine signifikanten Umweltschäden anrichten. Reaktorunglücke wie Tschernobyl oder Fukushima mit ihren enormen Schäden an Umwelt und Mensch zeigen das genaue Gegenteil.
  2. Fossiles Gas
    Erdgas ist grundsätzlich ein klimaschädlicher Energieträger. Kostengünstige und schnell ausbaubare erneuerbare Energien stehen bereits zur Verfügung. Eine Zertifizierung von Gas als nachhaltig sorgt für schädliche Parallelstrukturen bei Investitionen und zögert die notwendige Energiewende in Europa sinnlos hinaus.
    Zusätzlich bewirkt Gas in der Taxonomie‑​Verordnung Lock‑​in Effekte in fossile Infrastrukturen, die mit der Verordnung eigentlich verhindert werden sollten. Die Folge: hohe Kosten, Wettbewerbsnachteile und weitere Anfachung der Klimakrise.
  3. Rechtliche Aspekte
    Der veröffentlichte delegierte Rechtsakt entspricht nicht den rechtlichen Grundlagen, die die Taxonomie‑​Verordnung vorsieht. Es liegt nicht im Kompetenzbereich der Kommission eigenständig so weitreichende und politisch sensible Entscheidungen zu treffen – die Einstufung von Atomkraft und Erdgas als ökologisch nachhaltig ist aber eine weitreichende Entscheidung. Zudem wurden verfahrenstechnische Vorgaben, wie die erforderliche Folgenabschätzung, die Konsultation der Öffentlichkeit sowie die rechtzeitige Konsultation der Mitgliedstaaten, nur unzureichend erfüllt.

Die österreichische Klimaschutzministerin Leonore Gewessler dazu:

„Die Kommission hat einige wesentliche EU‑​rechtliche Regeln und sogar die kritische Stellungnahme ihres eigenen Expertengremiums komplett ignoriert. Es wurde keine Folgenabschätzung durchgeführt, die Öffentlichkeit nicht konsultiert und die EU‑​Mitgliedstaaten wurden nicht rechtzeitig informiert. Das zeigt: Es geht wohl vor allem darum, die starken fossilen und nuklearen Lobbygruppen zufrieden zu stellen und die EU‑​Kommission ist offenbar selbst nicht von ihrer Entscheidung überzeugt.“

Rechtsanwältin Dr. Simone Lünenbürger, Redeker Sellner Dahs, Brüssel:

„ ‚Wo Grün draufsteht, ist auch Grün drin!‘ – Gilt dieses Versprechen der europäischen Taxonomie noch? Das steht in Frage, seit die Europäische Kommission auch fossiles Gas und Kernenergie unter bestimmten Voraussetzungen als ökologisch nachhaltig eingestuft hat. Gegen diese Entscheidung der Kommission hat Österreich Klage erhoben. Denn wir sind der Ansicht: Die Kommission hätte nicht so entscheiden dürfen. Dies verstößt gegen europäisches Primärrecht und die Taxonomie‑​Verordnung. Grün – das ist nicht mehr nur eine Farbe, sondern auch eine juristische Kategorie, über die nun das Gericht der Europäischen Union in Luxemburg entscheiden wird.“

Ihre Ansprechpartnerin

Christiane Legler

Christiane Legler

legler@redeker.de

Willy‑​Brandt‑​Allee 11
53113 Bonn
T +49 228 72625‐472
F +49 228 72625‐99