Europäischer Gerichtshof: Zusatz von Alge Lithothamnium calcareum zur Erhöhung des Calciumanteils in Bioprodukten unzulässig

Redeker Sellner Dahs für das Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Verbraucherschutz NRW erfolgreich

Bonn, 12. Mai 2021. Der EuGH hat durch Urteil vom 29. April 2021 (C‑815/19) entschieden, dass die überwiegend aus Calcium- und Magnesiumcarbonat bestehende Alge Lithothamnium calcareum bei der Verarbeitung ökologischer/​biologischer Lebensmittel nicht zu deren Anreicherung mit Calcium zugesetzt werden darf; mit Calcium angereicherte Biolebensmittel dürfen nicht als Bioprodukt gekennzeichnet vermarktet werden.

Gegenstand des Verfahrens war ein von einem deutschen Unternehmen hergestellter Soja‑​Drink, der als Bioprodukt vermarktet wird. Da die Verwendung von Calciumcarbonat zur Anreicherung ökologischer/​biologischer Erzeugnisse mit Calcium verboten ist, waren dem Soja‑​Drink gemahlene Kalksedimente der Alge Lithothamnium Calcareum zugesetzt worden – letztlich mit dem Ziel, den Calciumgehalt des Soja‑​Drinks dem von tierischen Milchprodukten anzugleichen.

Die abgestorbenen calciumhaltigen sedimentierten Skelette der Alge werden vor Island abgebaut. Die gemahlenen Sedimente werden in der Lebensmittelproduktion verwendet, da sie einen hohen Calciumanteil haben. Das Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) hatte ein Bußgeldverfahren gegen den Hersteller des Bio‑​Soja‑​Drinks wegen des Zusatzes der Alge und der Hinweise auf den Calcium‑​Gehalt eingeleitet. Dieser erhob daraufhin eine Feststellungsklage, mit der er klären lassen wollte, dass der Zusatz der Alge in Bioprodukten zulässig ist. In den ersten beiden Instanzen hatte er keinen Erfolg. Das OVG NRW beschied ihm, dass das Pulver aus der Alge Bioprodukten nicht zugesetzt werden darf, da dieses nicht aus einer Speisealge gewonnen werde. Zudem stehe der Verwendung entgegen, dass es sich bei dem aus der abgestorbenen Alge gewonnenen Pulver nicht um einen Stoff landwirtschaftlichen Ursprungs handle, sondern um einen Mineralstoff. Der Zusatz von Mineralstoffen sei in Bio‑​Produkten aus ernährungsphysiologischen Gründen nur dann zulässig, wenn er gesetzlich vorgeschrieben sei. Eine gesetzliche Vorschrift zur Calciumergänzung von Soja‑​Getränken existiere nicht. Das BVerwG ersuchte den EuGH um Vorabentscheidung zur Auslegung des einschlägigen EU‑​Rechts und legte diesem u. a. die Frage zur Entscheidung vor, ob bei der Verarbeitung ökologischer/​biologischer Lebensmittel die Alge Lithothamnium calcareum als Zutat verwendet werden darf.

Der EuGH beantwortet diese Frage mit seinem Urteil und stellt fest, dass das Unionsrecht der Verwendung eines aus den gereinigten, getrockneten und gemahlenen Sedimenten der Alge Lithothamnium calcareum gewonnenen Pulvers als nichtökologische/​nichtbiologische Zutat landwirtschaftlichen Ursprungs bei der Verarbeitung ökologischer/​biologischer Lebensmittel wie ökologischen/​biologischen Reis- und Sojagetränken zu deren Anreicherung mit Calcium entgegensteht. Die Verwendung einer nichtökologischen/​nichtbiologischen Zutat landwirtschaftlichen Ursprungs in ökologischen/​biologischen Lebensmittel ist unionsrechtlich nur unter bestimmten Voraussetzungen gestattet. U. a. erfordert dies, dass ohne die entsprechende Zutat diese Lebensmittel nicht hergestellt oder haltbar gemacht werden können oder ernährungsspezifische Anforderungen, die aufgrund des Unionsrechts festgelegt wurden, nicht eingehalten werden können. Diese Voraussetzung sieht der EuGH hier nicht als erfüllt an. Eine abschließende Beurteilung ist nun durch das BVerwG vorzunehmen.

Der EuGH macht in seinem Urteil weiter deutlich, dass der Verwendungszweck eines Stoffes entscheidende Bedeutung hat. Im vorliegenden Fall erfolgte die Zugabe des calciumreichen aus der Alge gewonnenen Pulvers, um den Calciumgehalt des Soja‑​Drinks anzuheben. Da die Zugabe von Calcium in Bioprodukten EU‑​rechtlich nicht gestattet ist, würde die Zulassung des Pulvers bei der Verarbeitung ökologischer/​biologischer Lebensmittel zwecks Anreichung mit Calcium auf eine Umgehung des geltenden Verbots hinauslaufen.

Über den konkreten Fall hinaus ist die Entscheidung von Bedeutung, weil damit klargestellt ist, dass in Zweifelsfällen letztlich der Verwendungszweck dafür maßgebend sein kann, ob der Zusatz eines bestimmten Stoffs in Bioprodukten zulässig ist.

Das LANUV wurde im Verfahren vor dem EuGH von den Rechtsanwälten Prof. Dr. Alexander Schink und Julian Ley der Sozietät Redeker Sellner Dahs vertreten.

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