Berlin, 18. April 2016. In den gerichtlichen Auseinandersetzungen um das Sportwettenkonzessionsverfahren hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden in einem als Musterverfahren vorgezogenen Klageverfahren endlich einen Befreiungsschlag ermöglicht. Das Gericht hat mit seinem Urteil vom 15.04.2016 das Land Hessen zur Erteilung einer Sportwettenkonzession an die Firma Tipico Ltd. verpflichtet. Berufung und (Sprung‑)Revision wurden nicht zugelassen.
Das Gericht verpflichtete das Land Hessen darüber hinaus auf eine Konzessionslaufzeit von sieben Jahren. „Die Entscheidung geht damit über das von Beobachtern Erwartete noch hinaus und könnte einen Ausweg aus dem ‚Deadlock‘ weisen, in den die Bundesländer mit ihrem intransparenten und diskriminierenden Konzessionsverfahren geraten sind“, kommentiert Dr. Ronald Reichert, Rechtsanwalt und Partner bei Redeker Sellner Dahs, das Urteil. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hatte bereits im Oktober 2015 die Ausgabe von Konzessionen an die 20 ausgewählten Teilnehmer untersagt, weil das Konzessionsverfahren u. a. durch die Rolle des Glücksspielkollegiums als verfassungswidrig beurteilt wurde. Mit Blick auf diese Rechtsprechung in den Eilverfahren galt es unter Beobachtern als ausgemacht, dass Konzessionen bis zum Ende der Experimentierphase des GlüStV nicht mehr erteilt werden könnten. Dafür sorgten absehbar schon die Komplexität der strittigen Klagen und die Konstruktion des Konzessionsverfahrens als Konkurrentenstreit (Deckelung auf 20 Konzessionen). Bei gewöhnlichen Laufzeiten war mit einer Dauer der gerichtlichen Klärung von mindestens vier Jahren zu rechnen.
Das Verwaltungsgericht setzt nun an der Deckelung des Gesetzgebers hinsichtlich der Anzahl der Konzessionen auf 20 an und beseitigt damit die Grundlage des Problems. An die Stelle des komplexen Auswahlverfahrens tritt ein Anspruch auf Konzessionserteilung bei Vorliegen der gesetzlichen Qualitätsanforderungen. Eine solche Lösung hatte die Hessische Landesregierung bereits als Kompromissvorschlag in die Verhandlungen eingebracht, wurde hierbei aber von einigen Bundesländern ausgebremst.
Sollte der Hessische Verwaltungsgerichtshof die Berufung nicht zulassen, werden die Bundesländer die Konzessionen möglicherweise schon in der ersten Hälfte des nächsten Jahres ausgeben müssen.
Anstelle der geplanten langwierigen Änderungen des GlüStV, an die sich weitere Auseinandersetzungen anschließen würden, tritt hier also unverhofft ein vergleichsweise zügiger Ausweg aus dem Dilemma. Hierzu Dr. Ronald Reichert: „Gewinner einer solchen Lösung wären alle: die Konzessionsbewerber, weil sie endlich das erhalten, was sie vor vier Jahren schon hätten erhalten sollen, und die Länder, weil sie vergleichsweise zügig den Nachweis eines regulierten Marktes antreten könnten. Nicht zuletzt müssten die Länder das drohende Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission weniger fürchten.“
Die Klage wurde von den Kanzleien Redeker Sellner Dahs (Dr. Ronald Reichert, Dr. Michael Gindler, LL.M. (Wellington), Dr. Cornelius Böllhoff), Dentons (Dr. Jörg Karenfort, Dr. Norman Hölzel, LL.M.) und würtenberger (Dr. Thomas Würtenberger, LL.M., Dieter Pawlik) geführt (AZ 5 K 1431/14. WI).