München, 10. Juni 2016. Die Berichterstattung des SZ‐Magazins über den Chefarzt der Haunerschen Kinderklinik, Christoph Klein als „Arzt ohne Grenzen“ stößt mittlerweile auch international auf Kritik. Sie hat zudem eine Diskussion um das Verhältnis von klinischer Forschung und ihrer Darstellung in den Medien entfacht. Die Pressekammer des Landgerichts Hamburg erließ gegen die Berichterstattung des SZ‐Magazins kurz nach dem Erscheinen eine Einstweilige Verfügung auf Unterlassung in fünf Punkten.
Für das Urteil des SZ‐Magazins „fehlen die Belege“
Die Wissenschaftsjournalisten der ZEIT haben sich mit den Vorwürfen gegen Christoph Klein auseinandergesetzt. Im Gegensatz zum Magazin der Süddeutschen Zeitung zeichnen sie ein ganz anderes Bild des Arztes. Beleg dafür ist unter anderem die Aussage der Mutter eines betroffenen Jungen, die ihn als Arzt beschreibt, der unglaublich gut mit seinen Patienten umgehen könne und sich für sie aufreibe. Die ZEIT stellt als Fazit fest: „Hat Christoph Klein also nur seinen persönlichen Erfolg im Blick gehabt und darüber das Wohl seiner Patienten vernachlässigt, wie man nach Lektüre des SZ‐Magazins denken könnte? Für ein derart hartes Urteil fehlen die Belege.“
Und auch das Wissenschaftsressort der WELT stellt gegenüber den Anschuldigungen des SZ‐Magazins fest: „Tatsächlich ist es so, dass Klein bei seiner experimentellen Gentherapie nicht im Alleingang gehandelt hat oder handeln konnte. Natürlich brauchte und hatte er eine Genehmigung für sein Projekt und selbstverständlich gab es eine Ethikkommission, die für die Studie grünes Licht gegeben hat.“
„Eine öffentliche Rufmord‐Kampagne“
Das sehen auch Internationale Spitzenwissenschaftler so, die Kleins Arbeit im Detail kennen. Sie wenden sich jetzt in einem offenen Brief gegen die Anschuldigungen gegen Christoph Klein und die Auswirkungen der Medienkampagne.
„Mit großer Sorge haben wir von einer öffentlichen Rufmordkampagne gegen Professor Dr. Christoph Klein, den Direktor der LMU Kinderklinik in München Kenntnis genommen“, heißt es in dem Schreiben, das zehn renommierte Ärzte und Wissenschaftler aus sechs Nationen unterzeichnet haben. Sie stellen fest: „Wir kennen Christoph Klein und sind mit seinen langjährigen Bemühungen, neue Behandlungsmöglichkeiten für unzählige Kinder mit schwersten seltenen Erkrankungen zu entwickeln vertraut. Wir schätzen sein ärztliches Ethos und seinen unermüdlichen Einsatz um die Gesundheitsfürsorge.“
Zudem weisen die internationalen Wissenschaftler auf die Fakten hin: „Uns sind die wissenschaftlichen und klinischen Details der Gentherapiestudie für Patienten mit Wiskott Aldrich Syndrom, die Christoph Klein über ein Jahrzehnt hinweg leitete, ebenfalls bekannt.“ Die Autoren stellen deshalb fest: „Wir sind deshalb in der Lage, der deutschen Öffentlichkeit mitzuteilen, dass die Darstellung seiner Person als ‚Arzt ohne Grenzen‘ verzerrt, ohne faktische Grundlagen und schlichtweg falsch ist.“
Das sind klare Worte von Experten, die die Details der klinischen und wissenschaftlichen Arbeit von Christoph Klein kennen.
„Die Studie wurde gewissenhaft vorbereitet“
Auch die Begründung liefern die Wissenschaftler aus aller Welt mit. „Im Gegensatz zu den in den Medien vorgebrachten Unterstellungen hat Christoph Klein die WAS Gentherapiestudie niemals ohne gründliche ethische Reflexionen vorangetrieben. Die Studie wurde über einen Zeitraum von acht Jahren gewissenhaft vorbereitet, wobei mehrere Jahre einer interdisziplinären Zusammenarbeit mit Experten der Bioethik gewidmet waren. Christoph Klein hat sich niemals gescheut einer breiten Öffentlichkeit und wissenschaftlichen Gemeinschaften auch ‚schlechte Nachrichten‘ im Bereich der Leukämieentwicklung zugänglich zu machen; entsprechendes Informationsmaterial wurde im Rahmen von Pressemitteilungen und in Form zahlreicher Fachvorträge verbreitet.“
Irritiert zeigen sich die internationalen Forscher über die vom SZ‐Magazin angedeutete Beziehung zu NS‐Verbrechen: „Das SZ‐Magazin setzt Christoph Kleins Arbeit jedoch in Beziehung zu dem unethischem Handeln von Ärzten in der Nazi‐Zeit und schürt damit bewusst die öffentliche Wahrnehmung eines direkten Vergleichs seiner Person mit NS‐Verbrechern.“
Eine Kampagne, die Sorge bereitet
Die Ärzte und Wissenschaftler zeigen sich „in großer Sorge hinsichtlich der Konsequenzen dieser gezielten Rufmordkampagne und ihre unangebrachten Auswirkungen auf die Wahrnehmung einer universitären Medizin in der Öffentlichkeit.“ Denn Ärzte bedienten sich ja einer „wissenschaftlichen Rationalität, um ihren wichtigen Auftrag zu erfüllen, nämlich das Wissen um die Ursachen von Erkrankungen zu mehren und bessere Therapiestrategien zu entwickeln.“
Parallel dazu komme den Medien eine wichtige Verantwortung zu, die Arbeit von Forschern für die Öffentlichkeit verstehbar zu machen. Aber es gelte: „Wenn die Medien jedoch nicht präzise Bericht erstatten und ihre Darstellung sogar tendenziöse Vermutungen und Unterstellungen enthalten, wird die Beziehung zwischen Medizin und Gesellschaft leichtfertig gefährdet.“
Am Ende seien es die Patienten mit unheilbaren Erkrankungen, die unter dieser Entwicklung am stärksten leiden müssten. Deshalb, so die Unterzeichner, rufen sie die Verantwortlichen in Klinik und Wissenschaft sowie die Öffentlichkeit auf, sich einer gründlichen und faktenbasierten Analyse jener klinischen und wissenschaftlichen Bemühungen zu stellen, auf die sich die Medien hier beziehen. „Nur so kann verhindert werden, dass ein Arzt, der sich seit Jahren für die Gesundheit von Kindern einsetzt, auf ungerechtfertigte Weise nachhaltigen Schaden nimmt.“