Am 01.07.2023 tritt das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts mit umfangreichen Änderungen der §§ 80 ff. BGB in Kraft. In einem weiteren Reformschritt folgt zum 01.01.2026 die Einführung des sog. Stiftungsregisters. Der Entscheidung des Gesetzgebers vorausgegangen ist eine über zwei Jahrzehnte andauernde Diskussion über die Reformbedürftigkeit des Stiftungszivilrechts. Eine Auseinandersetzung mit dem neuen Stiftungsrecht ist für Stifter, Stiftungen sowie Stiftungsorgane gleichermaßen dringend empfohlen. Dabei unterstützen wir Sie gerne. Mit der Reform des Stiftungsrechts und der Stiftung als Instrument der Nachfolgeplanung befasst sich auch unser Newsletter Private Clients, den Sie hier abrufen und abonnieren können.
I. Gründe für die Reform
Die §§ 80 ff. BGB in der noch geltenden Fassung enthalten nur wenige grundlegende stiftungsrechtliche Vorschriften und sind aufgrund der zahlreichen Verweisungen ins Vereinsrecht teils unübersichtlich ausgestaltet. Nur zurückhaltend hat der Bund bislang von seinem Recht im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung Gebrauch gemacht, so dass das Stiftungsrecht bislang durch ein Nebeneinander von Bundes- und unterschiedlichen landesrechtlichen Regelungen geprägt ist. Die Landesstiftungsgesetze enthalten insbesondere die Vorschriften zur Aufsicht über Stiftungen, aber auch zahlreiche das Bundesrecht ergänzende zivilrechtliche Regelungen. Die Rechtsform der rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts existiert in unterschiedlichen landesrechtlichen Ausprägungen.
II. Ziele der Reform
Das gesamte Stiftungszivilrecht wird nach dem Willen des Gesetzgebers durch die Neufassung der §§ 80 ff. BGB‑neu einheitlich und abschließend im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt. Ein Nebeneinander von Bundes- und Landesrecht soll zumindest für das materielle Stiftungszivilrecht nicht mehr möglich sein. Den Landesstiftungsgesetzen ist vielfach nur noch die Regelung der nach Landesrecht zuständigen Behörde überlassen. Dies ermöglicht es den Landesgesetzgebern, sich auf die Stiftungsaufsicht zu fokussieren. Sind die §§ 80 ff. BGB‑neu auch an die bestehenden landesrechtlichen Regelungen angelehnt, hat der Gesetzgeber eine Reihe von grundlegenden Bestimmungen in das reformierte Stiftungszivilrecht eingeführt und bisherige Verweisungen auf das Vereinsrecht durch eigenständige Regelungen ersetzt.
III. Anpassung der Landesstiftungsgesetze
Das deutsche Stiftungszivilrecht ist künftig abschließend in den §§ 80 ff. BGB‑neu geregelt. Landesstiftungsrechtliche Regelungen, die im Widerspruch zu den §§ 80 ff. BGB stehen, werden ab dem 01.07.2023 außer Kraft treten (Art. 31 GG). Das Land Brandenburg hat bereits ein Gesetz zur Änderung des Landesstiftungsrechts beschlossen. In Nordrhein‑Westfalen, Schleswig‑Holstein und Niedersachen liegen erste Entwürfe zur Ablösung oder Änderung des jeweiligen Landesstiftungsgesetzes vor.
IV. Ausprägungen der rechtsfähigen Stiftung bürgerlichen Rechts
In § 80 Abs. 1 Satz 1 BGB‑neu wird die bürgerlich‑rechtliche Stiftung nunmehr ausdrücklich als eine mit einem Vermögen zur dauernden und nachhaltigen Erfüllung eines vom Stifter vorgegebenen Zwecks ausgestattete, mitgliederlose juristische Person umschrieben. Damit wird weiterhin die für die rechtsfähige Stiftung typische Verbindung zwischen dem Zweck und dem Vermögen als das Mittel zur Erfüllung des Stiftungszwecks zum Ausdruck gebracht.
Ewigkeitsstiftung vs. Verbrauchsstiftung
Dem gesetzlichen Regeltypus der Stiftung entspricht nach wie vor die auf unbestimmte Zeit errichtete Stiftung, die sog. Ewigkeitsstiftung. Als Verbrauchsstiftung ist demgegenüber nach der in § 80 Abs. 1 Satz 2 BGB‑neu enthaltenen Legaldefinition eine Stiftung anzusehen, die für eine bestimmte Zeit errichtet wird, innerhalb derer sie ihr gesamtes Vermögen zur Erfüllung ihrer Zwecke verbrauchen soll. Da das gesamte Stiftungsvermögen innerhalb dieser Zeit zu verbrauchen ist, wird regelmäßig ein verhältnismäßig höherer Mitteleinsatz für die Zweckerfüllung zur Verfügung stehen als bei einer Ewigkeitsstiftung, die zumindest ihr gewidmetes Vermögen zu erhalten hat. Die Stifter einer Verbrauchsstiftung können damit im Gegensatz zur Ewigkeitsstiftung ihre als förderungswürdig erachteten Zwecke bereits im Hier und Jetzt verfolgen.
Familienstiftung
Weiterhin nicht im Stiftungszivilrecht geregelt ist der Begriff der Familienstiftung. Bei dieser handelt es sich nicht um eine besondere Rechtsform. Als Familienstiftungen gelten solche Stiftungen, die nach dem Stiftungsgeschäft oder der Satzung ausschließlich oder überwiegend dem Wohl und der Unterstützung der Familienmitglieder (Destinatäre) dienen.
Gemeinnützige Stiftung
Eine gemeinnützige Stiftung ist demgegenüber der selbstlosen Förderung der Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet verschrieben und kann steuerliche Begünstigungen in Anspruch nehmen. Mit der Anknüpfung an den Gemeinnützigkeitsstatus einer Stiftung wird auf den steuerrechtlichen Tatbestand in § 52 Abgabenordnung (AO) verwiesen. Nennt § 51 Abs. 1 Satz 1 AO als steuerbegünstigte Zwecke neben den gemeinnützigen Zwecken (§ 52 AO) auch mildtätige (§ 53 AO) und kirchliche Zwecke (§ 54 AO) ist im Zusammenhang mit den §§ 51 ff. AO häufig nur von dem Gemeinnützigkeitsrecht die Rede. Auch bei der gemeinnützigen Stiftung handelt es sich nicht um eine besondere Rechtsform. Jedoch sind gemeinnützigkeitsrechtliche Vorgaben bei der Satzungsgestaltung sowie im Rahmen der Verwaltung der Stiftung zu berücksichtigen.
Kirchliche Stiftung
Nach § 88 Satz 1 BGB‑neu bleiben die Vorschriften der Landesgesetze über kirchliche Stiftungen unberührt. Die Kirchen besitzen unverändert auf der Grundlage von Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 bis 139 WRV, den Landesverfassungen, der Kirchenverträge sowie der Landesstiftungsgesetze das Recht zur eigenverantwortlichen Regelung der Organisation ihrer Stiftungen. Kirchliche Stiftungen sind dabei unverändert durch weltliche und kirchliche Rechtsdimensionen geprägt. Dies kommt insbesondere bei der Errichtung einer rechtsfähigen kirchlichen Stiftung zum Ausdruck, die neben der staatlichen Anerkennung der zuständigen Stiftungsbehörde regelmäßig auch eine Zustimmung oder Genehmigung kirchlicher Behörden erfordert.
Fazit
Die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts existiert als Rechtsform in unterschiedlichen Ausprägungen. Je nach Stiftungstyp bestehen bei der Errichtung, Vermögensverwaltung, Aufsicht sowie den Organpflichten Besonderheiten, die es insbesondere bei der Satzungsgestaltung zu berücksichtigen gilt.
V. Die Reform im Überblick
Der Gesetzgeber hat mit der Neufassung der §§ 80 ff. BGB‑neu insbesondere grundlegende Bestimmungen über das Stiftungsvermögen und seine Verwaltung getroffen, durch eine ausführlichere Regelung der Organverfassung der Stiftung die Rechte und Pflichten der Organmitglieder konkretisiert und differenzierte Vorgaben für die Möglichkeit einer Satzungsänderung geschaffen. Einige der wesentlichen Neuregelungen werden nachfolgend im Überblick dargestellt.
Stiftungsvermögen
Die §§ 83b, 83c BGB‑neu enthalten grundlegende Regelungen zur Zusammensetzung und Verwaltung des Stiftungsvermögens.
Hinsichtlich der Zusammensetzung des Stiftungsvermögens wird in § 83b Abs. 1 BGB‑neu zwischen Ewigkeits- und Verbrauchsstiftungen unterschieden. Während das Stiftungsvermögen einer Ewigkeitsstiftung aus Grundstockvermögen und ihrem sonstigen Vermögen besteht, verfügen Verbrauchsstiftungen nur über ein sonstiges Vermögen. Zum Grundstockvermögen nach § 83b Abs. 2 BGB‑neu zählen das gewidmete Vermögen, Zustiftungen und dasjenige Vermögen, das die Stiftung zu Grundstockvermögen bestimmt hat. Eine Verbrauchsstiftung kann Zustiftungen schon deshalb nicht annehmen, weil sie kein Grundstockvermögen bilden kann. Allgemein ist das Stiftungsvermögen nach dem Grundsatz der Vermögenstrennung gemäß § 83b Abs. 4 Satz 1 BGB‑neu getrennt von fremdem Vermögen zu verwalten.
Mit der in § 83b Abs. 4 Satz 2 BGB‑neu enthaltenen Klarstellung, dass das Stiftungsvermögen nur zur Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet werden darf, sind in der Praxis zugleich Herausforderungen mit der Pflicht zur ungeschmälerten Erhaltung des Grundstockvermögens verbunden (§ 83c Abs. 1 Satz 1 BGB‑neu). Dieser Grundsatz der Vermögensverwaltung bezieht sich ausdrücklich nur auf das Grundstockvermögen und erfordert daher eine Abgrenzung zum sonstigen Vermögen, dass für die Erfüllung des Stiftungszwecks verbraucht werden darf. Enthalten die §§ 83b, 83c BGB‑neu auch keine ausdrückliche Regelung zur Zulässigkeit von Umschichtungen des Grundstockvermögens, wird die Änderung der Zusammensetzung des Grundstockvermögens von § 83c Abs. 1 Satz 3 BGB‑neu doch vorausgesetzt. Danach können Zuwächse aus der Umschichtung des Grundstockvermögens für die Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet werden, soweit dies durch die Satzung nicht ausgeschlossen wurde und die Erhaltung des Grundstockvermögens gewährleistet ist.
Satzungsänderungen
Stiftungen können ihre Satzungen im Gegensatz zu anderen juristischen Personen, wie Vereine oder Kapitalgesellschaften, nicht beliebig ändern. Mit § 85 BGB‑neu hat der Gesetzgeber eine Vorschrift geschaffen, die zwar keine beliebige Änderung der Stiftungssatzung ermöglicht, die Gestaltungsoptionen allerdings klar zum Ausdruck bringt und insoweit als Erweiterung der bisherigen Möglichkeiten verstanden werden kann. Die Vorschrift unterscheidet dabei zwischen drei Gruppen von Änderungen der Stiftungsverfassung durch Satzungsänderung, die an unterschiedliche Voraussetzungen gebunden und desto strenger werden, je stärker die Satzungsänderung in die Stiftungsverfassung eingreifen:
‑ Austausch oder erhebliche Beschränkung des Stiftungszwecks (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 u. 2 BGB‑neu);
‑ Zweckänderungen, die nicht unter § 85 Abs. 1 BGB‑neu fallen und Änderungen von anderen prägenden Bestimmungen der Stiftungsverfassung zum Gegenstand haben (§ 85 Abs. 2 BGB‑neu);
‑ Änderung sonstiger Bestimmungen der Satzung, die nicht unter § 85 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB‑neu fallen (§ 85 Abs. 3 BGB‑neu).
§ 85 Abs. 1 bis 3 BGB‑neu ist für den Stifter dispositiv, so dass der Stifter jedenfalls in der Errichtungssatzung die Voraussetzungen für die Änderung der Stiftungssatzung auch abweichend regeln kann.
Rechtsstellung der Organmitglieder
Bislang war die Ausgestaltung der Rechtsstellung der Stiftungsorgane vor allem durch Verweise in das Vereinsrecht geprägt. Die neuen Regelungen zu den Stiftungsorganen richten sich nicht nur an die Vorstandsmitglieder, sondern allgemein an die Organmitglieder. Damit wird insbesondere dem Umstand Rechnung getragen, dass Stiftungen neben einem Vorstand regelmäßig über weitere Organe verfügen, die neben oder zusammen mit dem Vorstand Geschäftsführungsaufgaben wahrnehmen.
Werden die Pflichten der Organmitglieder etwa durch die Vorschriften zur Verwaltung und Verwendung des Stiftungsvermögens (§§ 83b, 83c BGB‑neu) konkretisiert, normiert § 84a Abs. 2 Satz 1 BGB‑neu den Sorgfaltsmaßstab. Danach haben die Mitglieder eines Organs bei der Führung der Geschäfte die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers anzuwenden. Verbunden wurde dieser Pflichtenmaßstab mit der aus § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG bekannten Business‑Judgement‑Rule. Daraus folgt, dass ein Organmitglied beispielsweise bei einer Entscheidung über die Anlage des Stiftungsvermögens seine sich aus den gesetzlichen und satzungsgemäßen Vorgaben resultierenden Pflichten nicht verletzt, wenn es vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Stiftung zu handeln, obwohl sich die Entscheidung im Nachhinein als falsch erwiesen hat.
Während die Übertragung der Business‑Judgement‑Rule in der Praxis eher nicht zu einer Haftungsverschärfung, sondern in erster Linie zum Erfordernis einer sauberen Dokumentation der Entscheidungsfindung führen dürfte, kann die in § 84a Abs. 3 Satz 2 BGB‑neu vorgesehene Möglichkeit des Anwendungsausschlusses von § 31a BGB für ehrenamtlich tätige Organmitglieder zu einer echten Haftungsverschärfung führen.
VI. Ausblick
Dieser Überblick über die Reform des Stiftungsrechts findet im nächsten Jahr eine mehrteilige Fortsetzung. Wir würden uns freuen, wenn Sie die weiteren Ausgaben des Newsletters verfolgen und wir Sie bei Ihrer Auseinandersetzung mit dem neuen Stiftungsrecht unterstützen können.
Hans‑Peter Hoh
Partner
Rechtsanwalt
(hoh@redeker.de)
Dr. Patrick Schäfer
Senior Associate
Rechtsanwalt
(patrick.schaefer@redeker.de)
Dr. Cornel Potthast, LL.M.
Partner
Rechtsanwalt
(potthast@redeker.de)
Dr. Philipp Georg Kampmann
Senior Associate
Rechtsanwalt
(kampmann@redeker.de)
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