Newsletter Bau- und Immobilienrecht

Sehr geehrte Damen und Herren,

die VOB/A wurde novelliert. Mit diesem Newsletter stellen wir die wesentlichen Änderungen vor.

Das europäische RAPEX‑​System für Produktrückrufe kommt nun auch für Bauprodukte im unternehmerischen Bereich zur Anwendung.

Der Bundesgerichtshof hat sich ferner zum Inhalt von Wartungsverträgen und zu der Frage geäußert, ob ein Auftragnehmer enge Mangelfolgeschäden selbst beseitigen darf.

Ihr Team Baurecht

Neue VOB/A 2019 im Bundesanzeiger veröffentlicht

Am 19.02.2019 wurde die novellierte VOB/A 2019 im Bundesanzeiger veröffentlicht. Eine recht umfassende Überarbeitung hat dabei der 1. Abschnitt der VOB/A (Basisparagrafen des Unterschwellenbereichs) erfahren. Die Abschnitte 2 und 3 (EU- und VS‑​Paragrafen des Oberschwellenbereichs) wurden hingegen nur geringfügig und redaktionell angepasst (eine Ausnahme bilden insoweit § 16a EU und § 16a VS VOB/A, s. u.).

Folgende Änderungen des 1. Abschnitts sind dabei von besonderer Relevanz:

  • § 3a Abs. 1 S.1 VOB/A sieht ein Wahlrecht zwischen der öffentlichen und der beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb vor und schafft damit eine Harmonisierung im Vergleich zum oberschwelligen Vergaberecht, wo Entsprechendes gemäß § 119 Abs. 2 S. 1 GWB für das offene und das nicht offene Verfahren mit Teilnahmewettbewerb bereits seit der Vergaberechtsnovelle 2016 gilt.
  • § 3a Abs. 2 Nr. 1 Fußnote 1 VOB/A bzw. § 3a Abs. 3 S. 2 Fußnote 2 VOB/A sieht eine bis zum 31.12.2021 befristete Anhebung der Wertgrenzen für Bauleistungen zu Wohnzwecken im Hinblick auf Freihändige Vergaben und beschränkte Ausschreibungen vor. Dabei handelt es sich um eine Umsetzung der u. a. um eine Flexibilisierung des Bauvergaberechts bemühten Beschlüsse der Gemeinsamen Wohnraumoffensive von Bund, Ländern und Kommunen (sog. Wohngipfel).
  • Gemäß § 6a Abs. 1 S. 2 VOB/A finden Selbstreinigungsmaßnahmen im Sinne des 2. Abschnitts der VOB/A nunmehr auch bei der Bewertung der Zuverlässigkeit im Rahmen der Eignungsprüfung im 1. Abschnitt zwingend Berücksichtigung. Auch insofern wurde eine Harmonisierung mit dem oberschwelligen Vergaberecht vorgenommen.
  • Gemäß § 6a Abs. 5 VOB/A wird der Nachweis der Eignung bis zu einem Auftragswert von 10.000 € unter bestimmten Voraussetzungen erleichtert
  • § 3a Abs. 4 VOB/A sieht – sowie auch bereits § 14 UVgO für den Dienstleistungsbereich – die Möglichkeit eines Direktauftrags vor, wobei dies hier – anders als im Bereich von § 14 S. 1 UVgO, wo die Grenze bei 1.000 € liegt – bis zu einem voraussichtlichen Auftragswert von 3.000 € (ohne MwSt.) zulässig ist.
  • § 6b Abs. 3 VOB/A regelt im Interesse der Verfahrensvereinfachung einen Verzicht des Auftraggebers auf die Vorlage von Nachweisen, wenn er bereits in deren Besitz ist.
  • Weiter wurden Regelungen betreffend die Abgabe mehrerer Hauptangebote aufgenommen. So kann der Auftraggeber nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 VOB/A in den Vergabeunterlagen die Abgabe mehrerer Hauptangebote ausschließen (womit indirekt die grundsätzliche Zulässigkeit mehrerer Hauptangebote bestätigt wird). Damit korrespondiert § 16 Abs. 1 Nr. 7 VOB/A, der für diesen Fall regelt, dass die jeweiligen Hauptangebote auszuschließen sind. § 13 Abs. 3 S. 3 u. 4 VOB/A stellt klar, dass mehrere Hauptangebote formal wie in der Sache separat zu würdigen sind. Anderenfalls bestünde die Gefahr einer Vermischung bzw. „Rosinenpickerei“.
  • § 8 Abs. 2 Nr. 5 VOB/A statuiert das Erfordernis einer abschließenden Liste mit den vorzulegenden Unterlagen an „zentraler Stelle“ in den Vergabeunterlagen. Bietern soll so besonders deutlich gemacht werden, worauf es maßgeblich ankommt.
  • Eine umfangreiche Neufassung haben die Nachforderungsregeln in § 16a VOB/A – sowie auch § 16a EU und § 16a VS VOB/A – erfahren. Diese orientieren sich nunmehr stärker an den derzeit im oberschwelligen Vergaberecht für Liefer- und Dienstleistungen geltenden Grundsätzen (vgl. § 56 VgV bzw. Art. 56 der Richtlinie 2014/24/​EU), sind mit diesen aber nicht vollständig harmonisiert.
  • In § 16d Abs. 1 Nr. 4 VOB/A wurden die Regelungen betreffend die Zuschlagskriterien sowie die Zuschlagsentscheidung – in klarstellender Art und Weise – konturiert. Danach können insbesondere auch Festpreise oder Festkosten vorgegeben werden, sodass der Wettbewerb nur über die Qualität stattfindet.

Das Inkrafttreten der VOB/A 2019 bedarf – mangels Gesetzesqualität bzw. Außenrechtscharakter – gesonderter Anwendungsbefehle. Mit Erlass vom 20.02.2019 (Az.: BW I 7 – 70421) hat das Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat (BMI) das Inkrafttreten des 1. Abschnitts zum 01.03.2019 angeordnet. Die Inkraftsetzung der Abschnitte 2 und 3 erfolgt erst durch Anpassung der statischen Verweise in § 2 VgV und § 2 VSVgV. Das entsprechende Verordnungsgebungsverfahren wird derzeit vorbereitet. Das BMI wird auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens mit gesondertem Erlass hinweisen.

Neue RAPEX‑​Leitlinien: EU‑​Alarmsystem jetzt auch für B2B‑​Produkte

Die Europäische Kommission hat ihre RAPEX‑​Leitlinien erheblich erweitert. Das für Verbraucherprodukte geschaffene Rapid Alert System in dem Warnungen und Produktrückrufe gemeldet werden, gilt nun auch für den B2B‑​Bereich.

Damit müssen auch die am Bau Beteiligten und Hersteller von Bauprodukten damit rechnen, dass bei Marktüberwachungsmaßnahmen auffällige Produkte EU‑​weit gemeldet und zurückgerufen werden. Wenn ein Produkt mit einer ernsten Gefahr verbunden ist, sind die Wirtschaftsakteure verpflichtet, die zuständigen Behörden davon unverzüglich in Kenntnis setzen (so Nr. 3.3.1 der neuen RAPEX‑​Leitlinien).

Ziel der Kommission ist es, sicherzustellen, dass die Produktsicherheitsrichtlinie und die Marktüberwachungsverordnung sich im Rahmen des Meldesystems gegenseitig ergänzen und damit grundsätzlich der gesamte Produktmarkt in der EU abgedeckt ist.

Nach der Konzeption der Produktsicherheitsrichtlinie sind Wirtschaftsakteure zur Meldung an die Behörden verpflichtet, wenn sie feststellen, dass ein von ihnen ausgeliefertes Produkt mit einer Gefahr verbunden ist (Art. 5 Abs. 3). Mit dieser öffentlich‑​rechtlichen Verpflichtung können ggf. weitergehende zivilrechtliche oder strafrechtliche Konsequenzen verbunden sein.

BGH zum Leistungsinhalt von Wartungsverträgen und zu Schäden, die bei Erbringung der Werkleistung am Bestand entstehen

  1. Ein Wartungsvertrag beinhaltet regelmäßig die Überprüfung auf Funktions- und Verkehrstüchtigkeit und damit die Aufdeckung etwaiger Schäden am Gegenstand der Wartung. Der Austausch von Verschleißteilen kann vom Wartungsvertrag umfasst sein. Die Reparatur von im Rahmen der Wartung aufgedeckten Schäden gehört nur bei ausdrücklicher Vereinbarung zum Inhalt des Wartungsvertrags.
  2. Das Nacherfüllungsrecht des Auftragnehmers im Falle einer mangelhaften Leistung ist auf die ursprünglich geschuldete Erfüllungshandlung beschränkt. Zur ursprünglich geschuldeten Erfüllungshandlung gehört die Schadensbeseitigung bzgl. der Schäden, die durch Eingriffe ins Eigentum des Bestellers zwangsläufig entstehen. Dasselbe gilt hinsichtlich der bei Nacherfüllung der ursprünglich geschuldeten Werkleistung zwangsläufig entstehenden Schäden.
  3. Davon zu unterscheiden sind die Schäden, die an anderen Rechtsgütern des Bestellers oder an dessen Vermögen allein infolge der mangelhaften Werkleistung entstehen (Mangelfolgeschäden).

Bezüglich der Mangelfolgeschäden besteht kein Nacherfüllungsanspruch des Auftragnehmers und dementsprechend keine Notwendigkeit für eine Nachfristsetzung.

  1. Ist der Mangelfolgeschaden größer als der Mangelschaden kann das Interesse an einer einheitlichen Reparatur auch das Nacherfüllungsrecht bzgl. des Mangels entfallen lassen.

(Leitsätze des Autors nach BGH, Urteil vom 07.02.2019 – VII ZR 63/18)

Der für das Baurecht zuständige 7. Zivilsenat des BGH hatte sich mit Mängeln einer Wartung an einem Pkw zu beschäftigen, die Rechtsfragen aufwirft, die sich gleichermaßen für Wartungsverträge bei Immobilien und bei Beschädigungen der Sache des Auftraggebers bei Erbringung von Werkleistungen stellen.

Inhalt der Entscheidung

Der Auftraggeber hatte die Wartung seines Pkws beauftragt. Im Rahmen dieser Wartung wurde ohne vorherige Absprache ein Keilrippenriemen getauscht. Der nicht ordnungsgemäß montierte Keilrippenriemen beschädigte später weitere Bauteile des Autos. Der Auftraggeber ließ ohne Gelegenheit für den Auftragnehmer zur Beseitigung der Mängel und Schäden eine andere Werkstatt beides beseitigen. Die Schadenersatzklage des Auftraggebers war in der Vorinstanz erfolglos, weil der Auftragnehmer keine Gelegenheit zur Mangelbeseitigung erhalten hatte.

Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass der Wartungsvertrag zunächst nur die Überprüfung der Funktionsfähigkeit und Verkehrssicherheit beinhaltet. Hinsichtlich des Tausches des Keilrippenriemens ließ der BGH offen, ob der Tausch von Verschleißteilen von einem Wartungsvertrag umfasst ist. Reparaturen von Schäden seien jedenfalls ohne weitere Vereinbarung nicht von einem Wartungsvertrag umfasst. Im konkreten Fall wurde der Abschluss des Reparaturvertrags durch die Abnahme und Bezahlung der Rechnung angenommen.

Im Fall einer mangelhaften Werkleistung ist zwischen dem Schadenersatzanspruch statt der Leistung (§ 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB) und dem Schadenersatzanspruch neben der Leistung (§ 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB) zu unterscheiden. Der Schadenersatzanspruch statt der Leistung tritt an die Stelle der geschuldeten Werkleistung. Er erfordert zunächst – vorbehaltlich der geregelten Ausnahmen – eine Fristsetzung zur Nacherfüllung.
Der Schadenersatzanspruch neben der Leistung betrifft das neben dem Leistungsinteresse stehende Integritätsinteresse, insbesondere durch Ersatz für Folgeschäden an anderen Rechtsgütern des Bestellers als dem Werk selbst. Bezüglich dieser Schäden bedarf es keiner Nachfristsetzung. Die Einordnung des Schadens setzt eine Auslegung des Vertrags im Hinblick auf die geschuldete Werkleistung voraus. Die vertragsgemäßen bzw. zwangsläufig notwendigen Eingriffe in sonstige Rechtsgüter sind Bestandteil der Vertragsleistung. Dies gilt dementsprechend auch im Rahmen der Nacherfüllung. Schäden, die lediglich aufgrund einer mangelhaften Leistung verursacht werden, sind nicht Gegenstand der Werkleistung und dementsprechend auch nicht Gegenstand des Nacherfüllungsrechts. Eine Erweiterung der Nacherfüllung auf Mangelfolgeschäden ist auch nicht aus Billigkeitsgründen erforderlich.

Im konkreten Fall stellte der BGH zudem fest, dass auch hinsichtlich der Nacherfüllung bzgl. der mangelhaften Werkleistung eine Fristsetzung zur Nacherfüllung entbehrlich sein dürfte, weil im konkreten Fall besondere Umstände vorlagen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nach §§ 636, 281 Abs. 2 BGB die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigten. Es bestand nämlich ein besonderes Interesse an einer einheitlichen Reparatur des technisch und wirtschaftlich größeren Mangelfolgeschadens mit dem kleineren Mangelschaden zusammen, vor allem auch mit Blick auf die ansonsten erforderlichen zwei gesonderten Werkstatttermine und die Schließung der Werkstatt des Auftragnehmers für zwei Tage.

Praxishinweis

Der Auftragnehmer sollte immer im Vorfeld in nachweisbarer Form auf Schäden hinweisen, die durch seine Leistung am Eigentum des Auftraggebers erwartungsgemäß mit seiner angebotenen Ausführungsweise entstehen könnten, selbst wenn er eingeplant hat, diese zu beseitigen. Dies gilt besonders dann, wenn schonendere Alternativen zur Verfügung stehen.

Da der Umfang der geschuldeten Leistung und damit der Umfang des Nacherfüllungsrechts der Vertragsauslegung unterliegt und die Frage der Zwangsläufigkeit des Eingriffs in weitere Rechtsgüter des Auftraggebers nicht immer eindeutig ist, wird der Auftraggeber häufig gut beraten sein, zur Vermeidung des Verlustes von Ansprüchen dem Auftragnehmer dennoch eine Gelegenheit zur Nacherfüllung auch bzgl. enger Mangelfolgeschäden zu geben. Ist die Beseitigung des Mangelfolgeschadens durch den Auftragnehmer nicht gewünscht, muss auf eine klare Abgrenzung geachtet werden, da eine Aufforderung zur Mangelbeseitigung auch als Aufforderung zum Schadensersatz durch Naturalrestitution verstanden werden kann.

Aktuelle Publikationen

Stickler, Thomas. Ersetzen ungeeigneter Nachunternehmer im Fall der Eignungsleihe: Wertungswidersprüche im neuen Vergaberecht. In: NZBau 2019, S. 153 ff.

Reicherzer, Max. Bezahlbaren Wohnraum schaffen. DStGB Dokumentation 147. Berlin, DStGB 2018.

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