Mit Beschluss vom 16.09.2020 hat der BGH entschieden, dass für die Bemessung des Kindesunterhaltes eine begrenzte Fortschreibung der in der Düsseldorfer Tabelle enthaltenen Zahlbeträge denkbar ist.
Die Höhe des Kindesunterhaltes bestimmt sich nach der Lebensstellung des Kindes, die es wiederum bis zum Abschluss seiner Ausbildung von den Eltern ableitet. Für die Lebensstellung der Eltern kommt es maßgeblich auf deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse an. Während das Kind ganz automatisch an der Lebensstellung des Elternteils, in dessen Haushalt es lebt, teilnimmt, muss der andere Elternteil entsprechend seiner Einkommensverhältnisse einen monatlichen Barunterhalt leisten. Die Höhe des zu leistenden Unterhaltes bestimmt sich regelmäßig nach den in der Düsseldorfer Tabelle enthaltenen Sätzen. Diese dient als Richtlinie, um ausgerichtet an den wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern und dem Alter des Kindes dessen Unterhaltsbedarf festzulegen.
Ausgehend vom gesetzlichen Mindestunterhalt eines minderjährigen Kindes, der bei einem monatlichen Nettoeinkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils bis 1.900,00 € geschuldet ist, weist die Düsseldorfer Tabelle gestaffelte und prozentual am Mindestunterhalt orientierte Unterhaltsbeträge aus. Der Höchstsatz von 160 % des Mindestunterhaltes ist geschuldet, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil ein Nettoeinkommen bis 5.500,00 € monatlich erzielt. Bei einem darüber hinausgehenden monatlichen Nettoeinkommen bestimmt sich die Höhe des Kindesunterhaltes nach den Umständen des Einzelfalles.
Bisher musste das unterhaltsberechtigte Kind, sofern es mehr als den Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle forderte, seinen Bedarf konkret darlegen. Das Kind musste also detailliert auflisten und belegen, wofür und in welcher Höhe monatliche Aufwendungen für den allgemeinen Lebensbedarf gemacht werden. Der BGH hat nun entschieden, dass zumindest bis zu einem monatlichen Nettoeinkommen von 11.000,00 € des unterhaltspflichtigen Elternteils die Düsseldorfer Tabelle fortgeschrieben werden kann. Damit kann bis zu dieser Einkommensgrenze pauschal Kindesunterhalt in Prozentsätzen ausgehend vom gesetzlichen Mindestunterhalt gefordert werden, ohne dass die zuvor erwähnte konkrete Bedarfsberechnung notwendig wird. Sofern das unterhaltsberechtigte Kind einen höheren Unterhalt begehrt als bei Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle erzielbar, bleibt weiterhin die Möglichkeit einer konkreten Bedarfsberechnung.
Ferner führt der BGH aus, dass die Verpflichtung zur Auskunftserteilung über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des unterhaltspflichtigen Elternteils auch dann besteht, wenn dieser sich für „unbegrenzt leistungsfähig“ erklärt. Für einen Auskunftsanspruch genügt die Möglichkeit, dass die Auskunft Einfluss auf den Unterhalt hat. Somit kann der Unterhaltsverpflichtete mit der Erklärung, „unbegrenzt leistungsfähig“ zu sein, nicht erreichen, dass sich seine Unterhaltsverpflichtung auf den Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle beschränkt und die Auskunft über die eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse hinfällig wird.
‑- Entscheidungen OLG Celle, vom 30.01.2018 – 9 W 13/18; OLG Köln, vom 26.03.2018 – 4 Wx 2/18; OLG Brandenburg, vom 16.07.2019 – 7 W 53/17; OLG Oldenburg, vom 17.07.2019 – 12 W 53/19; OLG Schleswig, vom 27.01.2020 – 15 WF 70/19
Die Übertragung von Kommanditanteilen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge spielt in der Praxis eine große Rolle. Aus verschiedenen Gründen kann eine Übertragung von Vermögen in die nächste oder auch übernächste Generation gewünscht sein. Seit Jahren ist umstritten, wann eine solche Übertragung der Mitwirkung eines Ergänzungspflegers und/oder der familiengerichtlichen Genehmigung bedarf. Allein in den letzten drei Jahren haben sich fünf Oberlandesgerichte mit je unterschiedlichen Ansichten zu diesen zwei Problemkreisen geäußert, leider nicht einheitlich, sodass die Praxis noch immer auf eine Klärung wartet.
Zur ersten Frage: Können Minderjährige den Übertragungsvertrag selbst abschließen, oder müssen sie durch ihre Eltern oder einen Ergänzungspfleger vertreten werden?
Bei Rechtsgeschäften in gerader Linie – also etwa bei der Übertragung von Eltern oder Großeltern – sind die Eltern grundsätzlich allein aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses von der Vertretung ihres Kindes ausgeschlossen (§§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Eine Ausnahme besteht (nur) dann, wenn das Geschäft für die Kinder „lediglich rechtlich vorteilhaft“ ist. Unter diesen Voraussetzungen kann auch der Minderjährige selbst handeln. Ein Großteil von Literatur und Rechtsprechung geht eben hiervon aus, wenn der Kommanditanteil voll eingezahlt ist und die Übertragung unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung des Begünstigten im Handelsregister erfolgt. Die Haftung des Minderjährigen sei dann wirksam auf seine Einlage begrenzt. Da diese bereits eingezahlt sei, bestehe keine weitergehende Haftung; ein rechtlicher Nachteil könne sich (nur, aber immerhin) aus konkreten Regelungen des jeweiligen Gesellschaftsvertrags ergeben (etwa einem Wettbewerbsverbot) (so das OLG Köln und das OLG Brandenburg a. a. O. und zuvor bereits die OLG Bremen im Jahr 2008 und Jena im Jahr 2013). Danach kann – bei entsprechender Gestaltung – ein Minderjähriger den Vertrag selbst schließen, könnten auch die Eltern wirksam für den Minderjährigen handeln; eines Ergänzungspflegers bedürfte es nicht. Ein anderer Teil der Rechtsprechung sieht eine bloße Vorteilhaftigkeit bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen dagegen als prinzipiell nicht gegeben an, da mit den Gesellschaftsanteilen stets „ein Bündel von Rechten und Pflichten“ übertragen würden. Dieser Auffassung hat sich jüngst das OLG Oldenburg angeschlossen (entsprechend das OLG Celle a. a. O. und bereits das OLG Frankfurt im Jahr 2008); da jedem Gesellschaftsanteil Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft innewohnen, deren Verletzung Haftungsansprüche auslösen kann (so das Argument), enthalte ein Gesellschaftsanteil immer auch ein rechtliches Risiko – sprich: Einen Nachteil.
Gesondert hiervon stellt sich – nur wenn Eltern bzw. Ergänzungspfleger für einen Minderjährigen handeln; nicht aber wenn der Minderjährige selbst tätig wird – als zweite Frage die des Erfordernisses einer familiengerichtlichen Genehmigung.
Einer solche Genehmigung bedürfen Eltern bzw. Ergänzungspfleger gemäß § 1822 Nr. 3 BGB für einen „Gesellschaftsvertrag, der zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangen wird“. In der Aufnahme eines neuen Gesellschafters liegt formal eine (ggf. stillschweigende) Änderung des Gesellschaftsvertrages (so die herrschende Meinung, vgl. das OLG Schleswig a. a. O.). Die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit hängt damit regelmäßig entscheidend davon ab, ob auch ein „Erwerbsgeschäft“ gegeben ist. Hierbei handelt es sich um jede regelmäßig ausgeübte, auf selbstständigen Erwerb gerichtete Tätigkeit unabhängig von ihrer Art, die mit dem Willen zur Gewinnerzielung erfolgt und auf eine gewisse Dauer angelegt ist. Abzugrenzen ist dies von der rein vermögensverwaltenden Gesellschaft (die keine Genehmigung erfordert). Tendenziell ist die Rechtsprechung hier streng: Solange die Gesellschaft nur ein „Familienwohnheim“ verwaltet, soll ein Erwerbsgeschäft nicht vorliegen; das ändert sich aber, sobald Vermögenswerte in einer Weise verwaltet werden, die auch Einkünfte bringt – sobald die Gesellschaft etwa Mieteinnahmen erzielt, wobei der Rechtsprechung teilweise schon die Vermietung einer einzelnen Immobilie genügen ließ (OLG Brandenburg a. a. O.).
Höchstrichterlich sind beide Fragen noch nicht geklärt und auch die anstehende Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts (ein erster Referentenentwurf liegt vor) löst die Fragen – Stand jetzt – nicht. Derzeit ist nach den jeweils vorherrschenden Auffassungen zu beiden Fragen denkbar, dass ein Minderjähriger wirksam selbst ohne weitere Voraussetzungen handelt, bei einer Vertretung durch die Eltern demgegenüber eine familiengerichtliche Genehmigung verlangt würde. Das letzte Wort dürfte (auch deshalb) noch nicht gesprochen sein. Wie also als Rechtsanwender mit der Situation umgehen?
Zum Teil wird empfohlen, ein Negativattest des Familiengerichts einzuholen (sich also im Vorfeld bestätigen zu lassen, dass Pflegschaft/Genehmigung nicht erforderlich sind). Ein solches Attest – so überhaupt zu erlangen – erwächst allerdings nicht in Rechtskraft. Das Registergericht, das sodann die Eintragung der Minderjährigen im Grundbuch vornehmen muss, könnte sich auf einen anderen Standpunkt stellen, gegebenenfalls – nach Jahren – auch der Minderjährige selbst. Benötigen Gesellschafter und Gesellschaft unbedingte Rechts- und Planungssicherheit sollten die Verträge daher vorsorglich so gestaltet werden, dass Ergänzungspflegschaft und Genehmigung jedenfalls erforderlich werden (wobei die Beteiligte freilich das Ziel, die Genehmigung zu erlangen, nicht aus den Augen verlieren dürfen). Eine konkrete Möglichkeit besteht darin, die Einlage für den Minderjährigen bewusst noch nicht voll einzuzahlen. Wenn andernfalls langwierige Diskussionen über die Wirksamkeit von Folgegeschäften drohen, ist der entstehende Aufwand für Pflegschaft und Genehmigung hinnehmbar. Ein „offensiverer“ (zugleich risikoreicherer) Ansatz liegt darin, sich auf die vorherrschende Auffassung zur ersten Frage zu stützen, die Vertragsgestaltung auf die bekannten neuralgischen Punkte abzustimmen und Gesellschaftsvertrag und Formulierungen – soweit möglich – auf die (reine) Vermögensverwaltung auszurichten. Neben dem Ausschluss jeglicher Haftung für den Minderjährigen kommen Freistellungsansprüche im Innenverhältnis in Betracht, zudem etwa die Ausnahme des Minderjährigen von gewissen gesellschaftsvertraglich besonders verankerten Pflichten. Handelt der zumindest beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen selbst, reduziert dies das Erfordernis einer familiengerichtlichen Genehmigung weiter. Das konkrete Vorgehen wird von den Umständen und Bedürfnissen im Einzelfall bestimmt. Fachliche Beratung ist hier dringend empfehlenswert.
Dr. Philipp Georg Kampmann
Senior Associate
Rechtsanwalt
(kampmann@redeker.de)
Dr. Cornel Potthast, LL.M.
Partner
Rechtsanwalt
(potthast@redeker.de)
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