Sehr geehrte Damen und Herren,
dieser Newsletter informiert Sie über zwei Entscheidungen aus dem Vergaberecht und zwei Entscheidung aus dem Bauvertragsrecht. Der Bundesgerichtshof und das OLG Düsseldorf haben das Vergaberecht in zwei Entscheidungen in Bezug auf den Ausschluss vom Vergabeverfahren fortgeschrieben.
Das neue Bauvertragsrecht wirkt nun bereits auf die bisherige Rechtslage ein und hat das Kammergericht Berlin veranlasst, den Satz „Guter Preis bleibt guter Preis und schlechter Preis bleibt schlechter Preis“ für die Nachtragsvergütung in Frage zu stellen.
Ganz frisch hat der BGH sich zur Vereinbarkeit einer 5‑jährigen Gewährleistungsfrist mit der VOB/B auseinandergesetzt.
Ihr Team Baurecht
‑- BGH, Urt. v. 19.06.2018 – X ZR 100/16.
Der Kläger hat sich an einem Vergabeverfahren zur Sanierung einer Uferstützmauer beteiligt. Das Angebot wies in Einzelpositionen des Leistungsverzeichnisses auffällige Werte auf. Der Kläger bot u. a. die Position Anlieferung, Aufbau und Vorhaltung eines Turmdrehkrans während der auf drei Monate geschätzten Bauzeit zu € 1.767,02 an, die Position Vorhaltekosten für den Kran bei witterungsbedingter Unterbrechung für eine Woche zu € 62,89, die Position Einrüsten der sanierungsbedürftigen Mauerabschnitte einschließlich Auf- und Abbau sowie dreimonatige Vorhaltung des Gerüsts nebst An- und Abtransport sowie Hochwasserwartung zu € 68.878,45, die Position Vorhaltekosten für das Gerüst bei witterungsbedingter Verzögerung für eine Woche verlängerter Standzeit zu € 12.678,00 und die Position Einsatz verschiedener Geräte (z. B. LKW‑Kipper 8 t, Frontlader, Bagger) zuzüglich Bedienung für 5 Stunden zu jeweils € 2,05 pro Stunde.
Alleiniges Zuschlagskriterium war der Preis. Das Angebot des Klägers war das preisgünstigste. Der Auftraggeber schloss das Angebot – ohne eine Aufklärung über die Preise vorzunehmen – aus und erteilte dem zweitplatzierten Bieter den Zuschlag. Zur Begründung führte er an, das Angebot des Klägers sei nicht das wirtschaftlichste gewesen, weil die Vorhaltekosten für das Gerüst bei witterungsbedingter Unterbrechung signifikant hoch gewesen seien, so dass aufgrund der naheliegenden Verzögerung der Bauzeit wegen Hochwassers eine enorme Verteuerung der Baukosten drohen würde. Zudem berief er sich auf eine vergaberechtswidrige Mischkalkulation. Der Kläger erhob – etwa anderthalb Jahre später – eine Schadensersatzklage gerichtet auf entgangenen Gewinn.
Die Schadensersatzklage hatte auch vor dem BGH keinen Erfolg. Der BGH führte (anders das OLG) aus, es stehe im Belieben des Bieters, seine Angebotspreise zu kalkulieren. Der Bieter müsse zwar gem. § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A jede vom Auftraggeber geforderte Position bepreisen, hierbei sei aber nicht zu fordern, dass jede Position mindestens die hierfür entstehenden Kosten enthalten müsse. Der Bieter sei berechtigt, sowohl in Bezug auf den Gesamtangebotspreis als auch bei Einzelpositionen des Leistungsverzeichnisses (Turmdrehkran und Geräteeinsatz) Preise unterhalb seiner eigenen Fixkosten anzubieten (sog. Unterkostenangebot), soweit sein Angebot dennoch insgesamt die Gewähr für eine ordnungsgemäße Auftragsdurchführung sowie eine Haftung für Gewährleistungsansprüche biete. Der Auftraggeber sei daher verpflichtet, bei Unterkostenangeboten eine sorgfältige Prüfung und Aufklärung der Preise vorzunehmen.
Der Bieter sei dennoch nicht frei darin, seine Gesamtkosten nach Belieben den Einzelkosten des Leistungsverzeichnisses zuzuordnen. Der Auftraggeber habe ein schützenswertes Interesse daran, dass seine Zahlungspflichten nicht durch Verlagerung einzelner Preise manipuliert werden könnten. Der BGH wiederholte seine bekannte Rechtsprechung zur vergaberechtlichen Unzulässigkeit von sog. Mischkalkulationen. Ein Angebot sei auszuschließen, wenn es auf einer unzulässigen Preisverlagerung beruhe, bei der die Einheitspreise für einzelne Positionen abgepreist und andere Positionen damit korrespondierend aufgepreist worden seien. Nach der Auffassung des BGH genügten die Tatsachenfeststellungen des OLG allerdings nicht, um das Vorliegen einer Preisverlagerung zu belegen.
Der BGH beließ es aber nicht dabei, sondern hielt den Angebotsausschluss mit abweichender Begründung für rechtmäßig. Ein Angebot sei auch dann auszuschließen, wenn es in unredlicher Weise spekulativ ausgestaltet sei und dem Auftraggeber der Zuschlag nicht zugemutet werden könne. Eine spekulative Angebotsausgestaltung liege etwa vor, wenn der Bieter den Preis für einzelne Positionen drastisch erhöht habe, weil er eine erhebliche Erhöhung der für diesen Preis angesetzten Mengen bei der Auftragsausführung erwarte und dem Auftraggeber bei Vorliegen nicht gänzlich fernliegender Umstände erhebliche Übervorteilungen drohten. Ein Angebot, das auf einer solchen unredlichen Spekulation beruhe, verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB und sei vom Wettbewerb auszuschließen. Der BGH hielt das Angebot danach für ausschlusswürdig, weil der Kläger für die wöchentliche Vorhaltung des Gerüstes bei regulärer Standzeit einen Betrag von € 5.300,00 verlangt habe, während der Auftraggeber für jede Woche der witterungsbedingten Unterbrechung € 12.678,00 zu zahlen gehabt hätte. Aufgrund der relativ hohen Wahrscheinlichkeit einer mehrwöchigen witterungsbedingten Verzögerung wegen Hochwassers hätte die Gefahr einer erheblichen Verteuerung gegenüber dem angebotenen Gesamtpreis bestanden und der Kläger gegen seine Rücksichtnahmepflicht verstoßen.
Ausgangspunkt der Problematik ist die vom BGH in der vorliegenden Entscheidung erneut betonte Freiheit des Bieters bei der Kalkulation seiner Preise und die grundsätzliche Zulässigkeit, ein Unterkostenangebot abzugeben. Auftraggebern ist es prinzipiell untersagt, Bieter allein wegen auffallend niedriger bzw. hoher Einzelpreise auszuschließen. Dies ermutigt Bieter immer wieder, insbesondere bei (vermeintlich) fehlerhaft ermittelten Vordersätzen auf Kosten des Auftraggebers Spekulationsangebote abzugeben.
Mit seiner Entscheidung, den Ausschluss des Klägers auf einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme gem. § 241 Abs. 2 BGB zu stützen, hat der BGH einen neuen Ausschlusstatbestand etabliert. Die Entscheidung macht es Auftraggebern leichter, missbräuchliche Angebotsgestaltungen der Bieter durch einen Ausschluss vom Wettbewerb zu sanktionieren. Der Auftraggeber muss nicht mehr nachweisen, dass eine unzulässige Preisverlagerung durch eine Auf- und Abpreisung erfolgt ist und die Preisgestaltung auch nicht durch eine Nachfrage beim Bieter aufklären. Es genügt, wenn für eine Position des Leistungsverzeichnisses ein Preis deutlich überhöht angesetzt wird und für diese Position bei der Auftragsausführung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nicht unerhebliche Mehrmengen gegenüber der Angabe des Auftraggebers im Leistungsverzeichnis anfallen können und somit eine erhebliche Kostensteigerung zulasten des Auftraggebers droht.
Bieter sollten daher noch sorgfältiger darauf achten, sachlich ungerechtfertigt hohe Preisansätze in ihrem Angebot zu vermeiden und auf eine konsistente Preisgestaltung achten. Allerdings lassen sich der Entscheidung des BGH keine klaren Kriterien entnehmen, wann der Verdacht einer spekulativen Preisgestaltung berechtigt ist. Ob ein Preis tatsächlich spekulativ bzw. erheblich überhöht angesetzt ist, dürfte indes in den meisten Konstellationen nicht so eindeutig auf der Hand liegen wie im vom BGH entschiedenen Fall und weiter zu erheblichen Auseinandersetzungen zwischen Bietern und Auftraggebern führen.
Schwerwiegende Schlechtleistungen eines Unternehmens bei der Ausführung früherer öffentlicher Aufträge wurden bis zur Vergaberechtsnovelle 2016 im Rahmen der allgemeinen Zuverlässigkeitsprüfung gemäß § 97 Abs. 4 GWB a. F. behandelt. Nach neuer Rechtslage kann ein Unternehmen gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, wenn es eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags oder Konzessionsvertrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat. Mit der Neuregelung in § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB hat der Gesetzgeber dem Bedürfnis und den Forderungen nach einer effektiven „Sanktionierung“ von erheblichen oder fortdauernden vertraglichen Pflichtverletzungen im Rahmen öffentlicher Aufträge Rechnung getragen.
Noch nicht abschließend geklärt ist, welche Anforderungen an den Nachweis der Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB zu stellen sind, wenn die dem Ausschluss zugrundeliegenden Tatsachen nicht unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sind. Zu einer solchen Konstellation hat sich das OLG Düsseldorf kürzlich (Beschl. v. 11.07.2018 – Verg 7/18) positioniert.
Die Antragsgegnerin schrieb im Juni 2017 Sanierungsarbeiten an der von der Antragstellerin im Rohbau hergestellten Bodenplatte des Erweiterungsbaus eines Bürohauses europaweit im offenen Verfahren aus.
Erforderlich wurden die ausgeschriebenen Sanierungsarbeiten aufgrund einer Undichtigkeit der Bodenplatte. Über die zwischen den Beteiligten streitige Verantwortlichkeit wurden mehrere Gutachten eingeholt, die die Mängelverursachung zum Teil allein der Antragstellerin wegen Ausführungsfehlern bei der Erstellung der Bodenplatte zuweisen, teilweise die alleinige Verantwortung bei der Antragsgegnerin aufgrund ihr zuzurechnender Planungsfehler sehen oder aber von einer Überlagerung von Planungsfehlern und Ausführungsfehlern ausgehen. Die Auftraggeberin kündigte letztlich den Vertrag über die Rohbauarbeiten gegenüber der Antragstellerin unter Berufung auf eine mangelhafte Erstellung der Bodenplatte und die fehlerhafte Ausführung der Rissverpressung. Die Antragstellerin widersprach der Kündigung.
Im Rahmen der in zwei Lose aufgeteilten Ausschreibung der Sanierungsarbeiten an der Bodenplatte gab die Antragstellerin jeweils das günstigste Angebot ab. Allerdings schloss die Antragsgegnerin die Antragstellerin wegen Ausführungsmängeln des Rohbaus und der hierauf gestützten vorzeitigen Beendigung des Vertrags gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB vom Verfahren aus. Da die anderen Bieter allesamt nicht den Ausschreibungsbedingungen entsprechende Angebote für die Sanierungsarbeiten abgegeben hatten, hob die Auftraggeberin das Vergabeverfahren auf und wechselte in ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb, um in diesem Verfahren mit den nicht ausgeschlossenen Bietern über den Auftrag zu verhandeln.
Vor der VK Bund begehrte die Antragstellerin zunächst erfolglos die Rücknahme ihres Ausschlusses und die Fortführung des Vergabeverfahrens. Gegen die Entscheidung der VK Bund legte die Antragstellerin sofortige Beschwerde beim OLG Düsseldorf ein.
Das OLG Düsseldorf befindet den Ausschluss der Antragstellerin vom Vergabeverfahren für vergaberechtswidrig, hebt die Aufhebung des Vergabeverfahrens auf und versetzt das Vergabeverfahren in den Stand vor Ausschluss des Angebots der Antragstellerin zurück.
Bei seiner Entscheidung setzt sich das OLG Düsseldorf mit den Anforderungen an den Nachweis der Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB auseinander. Das Gericht bekräftigt zunächst, dass nach allgemeiner Auffassung die Tatsachen, auf die die Ausschlussentscheidung gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB gestützt wird, nicht unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sein müssen. Für ausreichend werde zum Teil erachtet, wenn der öffentliche Auftraggeber Indiztatsachen vorbringt, die von einigem Gewicht sind, auf gesicherten Erkenntnissen aus seriösen Quellen basierten und die die Entscheidung des Auftraggebers zum Ausschluss des Bieters nachvollziehbar erscheinen lassen (u. a. OLG Celle, Beschluss vom 09.01.2017, 13 Verg 9/16). In der Literatur werde weiter die Auffassung vertreten, dass es wegen des Beschleunigungsgebots des Vergabenachprüfungsverfahrens keiner umfangreichen und langwierigen Beweisaufnahme bedürfe und eine Glaubhaftmachung der Ausschlussgründe ausreichend sei. Von anderen Stimmen werde hingegen ein Vollbeweis durch den öffentlichen Auftraggeber verlangt. Ohne sich abschließend festzulegen, tendiert das OLG Düsseldorf selbst zu einem eher strengen Maßstab: Der öffentliche Auftraggeber müsse bezüglich der von der Vorschrift verlangten Schlechterfüllung „Gewissheit erlangt haben“, also eine Überzeugung gewonnen haben, die „vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet“ (so schon Senatsbeschluss vom 28.03.2018, VII‑Verg 49/17).
Eine solche Gewissheit verneint das OLG Düsseldorf angesichts der widersprüchlichen Gutachtenlage im vorliegenden Fall. Bleibe der Verursachungsbeitrag eines Unternehmens in Bezug auf einen Mangel wie hier völlig unklar, könne der Auftraggeber weder Gewissheit über die Frage der Verursachung erlangt haben noch – im Sinne der vom OLG Celle aufgestellten Anforderungen – aufgrund von Indiztatsachen zu der nachvollziehbaren Entscheidung gelangen, dass der Antragstellerin eine erheblich mangelhafte Vertragserfüllung anzulasten ist.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass die Rechtsprechung an einen Ausschluss gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB wegen früherer Schlechtleistung noch immer sehr hohe Anforderungen stellt. Auch wenn sich das OLG Düsseldorf letztlich nicht auf einen konkreten Beweismaßstab festlegt und ein Vollbeweis nicht explizit gefordert wird, so tendiert das Gericht jedoch offenbar hierzu. Zwar bekräftigt das OLG Düsseldorf zunächst, dass die Tatsachen, auf die die Ausschlussentscheidung gestützt wird, nicht unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sein müssen. Indem vom Auftraggeber jedoch eine Gewissheit verlangt wird, „die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet“, ist zumindest faktisch ein auf § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB gestützter Ausschluss nur dann risikolos, wenn das Unternehmen seinen Fehler anerkannt, also z. B. die vom Auftraggeber ausgesprochene Kündigung akzeptiert hat, oder eine entsprechende zivilrechtliche Auseinandersetzung mit einer Entscheidung zu Gunsten des Auftraggebers rechtskräftig abgeschlossen ist. Darüber wird ein Ausschluss allenfalls dann in Betracht zu ziehen sein, wenn das Bestreiten des Unternehmens bei eindeutiger Faktenlage missbräuchlich ist und letztlich nur das Verfahren hinauszögern soll.
Es bleibt abzuwarten, ob sich andere Oberlandesgerichte der strengen Sichtweise des OLG Düsseldorf anschließen werden. Zumindest das OLG Celle hat in der Vergangenheit bereits einen großzügigeren Maßstab an den erforderlichen Nachweis angelegt.
Eine besondere Fußnote ist im konkreten Fall, dass der öffentliche Auftraggeber wegen der Unwirksamkeit des auf § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB gestützten Ausschlusses im Ergebnis gerade das Unternehmen mit den Sanierungsarbeiten beauftragen müsste, welches jedenfalls mit einiger Wahrscheinlichkeit für die Mangelhaftigkeit der Bodenplatte (mit‑)verantwortlich ist und damit den Sanierungsbedarf erst ausgelöst hat. Aus Sicht eines öffentlichen Auftraggebers ist die aufgezwungene Zusammenarbeit in einer solchen Situation bestenfalls als unglücklich zu bezeichnen.
Julian Ley
Assoziierter Partner
Rechtsanwalt
(ley@redeker.de)
Die geschuldete Vergütung für Nachtragsleistungen, die nach § 1 Abs. 3, 4 VOB/B angeordnet wurden, bietet regelmäßig Streitstoff zwischen Besteller und Unternehmer. Grundlage der Preisermittlung ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (bislang) eine analoge Kostenfestschreibung der Auftrags- bzw. Angebotskalkulation des Auftragnehmers („vorkalkulatorische Preisfortschreibung“). Dieser Ansatz kann mit der Faustformel „Guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis“ umschrieben werden.
In seiner Entscheidung vom 10.07.2018 vertritt der 21. Senat des KG Berlin die Auffassung, dass die zweite Hälfte der Formel (bereits) für VOB/B‑Verträge, die vor dem 01.01.2018 geschlossen wurden, zu korrigieren ist.
Das KG ist der Ansicht, dass Ausgangspunkt der Bestimmung der Vergütung nach § 2 Abs. 5 VOB/B die <b>tatsächlichen Mehrkosten</b> sein sollten, die durch einen Vergleich der voraussichtlichen tatsächlichen Kosten der Ursprungsleistung und der tatsächlich entstandenen Kosten bei Ausführung der geänderten Leistung zu ermitteln seien. Auf Basis dieses Kostenvergleichs soll die angemessene Vergütung unter Berücksichtigung der für die ursprüngliche Leistung ausgehandelten Preise ermittelt werden. Das KG differenziert hierbei nach Positionen, die kostendeckend kalkuliert wurden, und solchen, die eine Unterdeckung aufweisen.
Hatte der Unternehmer durch die ursprünglich vereinbarte Vergütung einen kalkulatorischen Deckungsbeitrag auf die allgemeinen Geschäftskosten oder einen Gewinn erwirtschaftet, muss dieser erhalten bleiben. Der Unternehmer ist für die Richtigkeit seiner kalkulatorischen Ansätze darlegungs- und beweisbelastet, muss also das Gericht davon überzeugen, dass es ihm gelungen ist, einen Deckungsbeitrag bzw. Gewinn auszuhandeln. Ausschlaggebend ist hierbei grundsätzlich die Kalkulation der konkret von den Änderungen betroffenen Position, hilfsweise kann das „Vertragspreisniveau“ herangezogen werden.
Sofern der Unternehmer keinen Deckungsbeitrag aushandeln konnte, soll ihm bei Leistungsänderungen für die tatsächlich entstehenden Mehrkosten mindestens ein solcher i. H. v. 5 % zustehen, was das KG aus der Vermutung des § 648 S. 3 BGB für die Kündigungsabrechnung herleitet. Die Verpflichtung, überhaupt geänderte Leistungen auszuführen, stelle für den Unternehmer bereits eine Belastung dar, die bei einer hierdurch verursachten – weiteren – Unterdeckung unzumutbar sei. M.a.W. ist eine Kostenunterdeckung für die geänderte Leistung (nur) insoweit hinzunehmen, als eine Kostenunterdeckung auch bei unveränderter Vertragsfortführung eingetreten wäre. Eine darüber hinausgehende, aufgrund vorkalkulatorischer Preisfortschreibung eintretende Unterdeckung ist hingegen unzumutbar.
Diese Grundsätze gelten gleichermaßen, wenn die Leistungen an Nachunternehmer vergeben wurden. Der Besteller ist dann für den Umstand, dass eine durch den Unternehmer gezahlte Nachunternehmervergütung für die geänderte Leistung überhöht ist, darlegungs- und beweisbelastet.
Es kann ausgeschlossen werden, dass sich der BGH den Ansatz des KG zu eigen macht und seine jahrzehntelange Rechtsprechung zur Berechnung von Nachtragsvergütungen für VOB/B‑Bauverträge, die vor dem 01.01.2018 geschlossen wurden, ändert. Auswirkungen auf Altverträge dürfte die Entscheidung mithin nicht haben. Das ist auch folgerichtig, da diese Verträge in Kenntnis der ständigen Rechtsprechung geschlossen wurden und mithin eine Orientierung an den kalkulierten Kosten für die Nachtragsvergütung zwischen den Parteien – stillschweigend – vereinbart wurde. Anders könnte sich die Situation hingegen für neue Verträge darstellen.
Zum 01.01.2018 trat § 650c BGB in Kraft, nach dem im BGB‑Bauvertrag die tatsächlich durch die Nachtragsausführung entstandenen Kosten die für die Bemessung des Vergütungsanspruchs des Unternehmers entscheidende Größe sein sollen. Nach § 650c Abs. 2 BGB kann zwar eine Preisfortschreibung auf Basis einer vereinbarungsgemäß hinterlegten Urkalkulation erfolgen. Das Ergebnis dieser Berechnung kann aber mit dem Nachweis, dass die so ermittelte Vergütung nicht den tatsächlichen Kosten entspricht, angegriffen werden.
Bei BGB‑Bauverträgen hat sich der Gesetzgeber mithin – wie vorliegend das KG mit seinem Berechnungsmodell – von einer Orientierung an der unternehmerischen Kalkulation gelöst, und die tatsächlich entstehenden Mehrkosten in den Fokus gerückt. Das ist – trotz der damit einhergehenden Schwierigkeiten im Tatsächlichen (sachverständige Ermittlung der hypothetischen Vergleichspreise) – zu begrüßen. Die Vergütungsanpassung erfolgt für diese Verträge künftig auf einer objektivierbaren Grundlage.
Vor diesem Hintergrund kann der Vorstoß des KG als Vorschlag verstanden werden, wie künftig eine Berechnung von Nachtragsvergütungen in VOB/B‑Verträgen mit Blick auf das neue gesetzliche Leitbild erfolgen könnte. Die in der Literatur bereits formulierte Kritik an der Entscheidung des KG, dass eine Orientierung an den tatsächlichen Kosten mit dem Wortlaut der VOB/B nicht vereinbar sei (vgl. Lederer/Bosse, jurisPR‑PrivBauR 11/2018 Anm. 2) teilt der Verfasser nicht. In der VOB/B ist eine Preisermittlung nach den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung vorzunehmen. Bislang wurde hierunter die unternehmerische Kalkulation verstanden. Das ist indes nicht zwingend. Mit Blick auf das neue gesetzliche Leitbild in § 650c BGB dürfte ein Verständnis der VOB/B‑Regelungen aus Sicht des Vertragspartners, nach dem die tatsächlich anfallenden Herstellungskosten Grundlage der Preisermittlung sein sollen, auf die Aufschläge für Gemeinkosten und Gewinn kalkuliert werden können, gut begründbar sein.
Ob sich der Ansatz des KG für eine an die neue Rechtslage angepasste Anwendung der VOB/B durchsetzen kann, bleibt abzuwarten. Der in der Entscheidung aufgezeigte Berechnungsweg bietet aber ggf. eine Basis zur Kompromissfindung bei Vergütungsstreitigkeiten, wodurch ein gerichtliches Verfahren vermieden werden kann.
‑‑(nach BGH, Urteil vom 27.09.2018 – VII ZR 45/17)
Die Klägerin macht wegen mangelhafter Pflasterarbeiten gegen einen Straßenbauer einen Kostenvorschussanspruch und gegen den (nur) bauüberwachenden Ingenieur einen Schadensersatzanspruch auf Basis erwarteter Kosten geltend. Dem Bauvertrag lag die VOB/B (2000) zugrunde. In den Besonderen Vertragsbedingungen war eine Verjährungsfrist für die Gewährleistung von fünf Jahren vorgesehen. Der Bauvertrag unterfiel neuem Schuldrecht (ab 2002); der Überwachungsvertrag unterfiel altem Schuldrecht.
Im letzten Jahr der 5‑jährigen vertraglichen Gewährleistungsfrist wurden schriftlich Mängel der Pflasterarbeiten gerügt und zur Mängelbeseitigung aufgefordert. Der beklagte Straßenbauer berief sich auf Verjährung, da die Kombination einer vereinbarten 5‑jährigen Verjährung mit der Verlängerung der Gewährleistungsfrist durch eine schriftliche Mangelrüge (§ 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 und Nr. 4 Abs. 1 Fall 1 VOB/B (2000)) AGB‑rechtlich unwirksam sei.
1. Der Klageanspruch ist nicht verjährt. Der BGH stellte fest, dass die Vereinbarung einer fünfjährigen Gewährleistungsfrist in den von der Klägerin gestellten „Besonderen Vertragsbedingungen“ einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB standhält. Danach sind Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
Die formularmäßige Vereinbarung einer fünfjährigen Verjährungsfrist für die Mängelhaftung bei einem Bauwerk weicht – für sich genommen – schon nicht von der gesetzlichen Regelung in § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB ab, weshalb insoweit keine Inhaltskontrolle eröffnet ist (§ 307 Abs. 3 BGB).
Eine Unwirksamkeit der Vereinbarung einer fünfjährigen Verjährungsfrist ergibt sich auch nicht aus dem Zusammenwirken dieser Klausel mit § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 und Nr. 4 Abs. 1 Fall 1 VOB/B (2000). Diese Regelungen der VOB/B (2000) bewirken, dass der Anspruch auf Beseitigung der gerügten Mängel bei Bauwerken mit Ablauf von zwei Jahren, gerechnet vom Zugang des schriftlichen Mangelbeseitigungsverlangens an, verjährt, jedoch nicht vor Ablauf der vereinbarten Frist. Daher kann sich eine mit fünf Jahren vereinbarte Verjährungsfrist allein durch ein schriftliches Mängelbeseitigungsverlangen um knapp zwei Jahre auf knapp 7 Jahre verlängern, wenn dieses Verlangen kurz vor Ablauf der vereinbarten Verjährungsfrist geltend gemacht wird.
Für bis zum 31. Dezember 2001 (nach altem Schuldrecht) geschlossene Verträge hatte der BGH zuvor entschieden, dass die Klauseln der Inhaltskontrolle nach dem AGB‑Gesetz standhalten (BGHZ 107, 75). Die Möglichkeit der Verlängerung der Verjährungsfrist durch schriftliche Aufforderung zur Mängelbeseitigung sei mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Verjährungsregeln zu vereinbaren. Der Auftraggeber könne auch ohne Vereinbarung der VOB/B nach den gesetzlichen Vorschriften eine Gewährleistungsverpflichtung des Auftragnehmers erreichen, die unter Umständen aufgrund jahrelanger Unterbrechungen einen Zeitraum von fünf Jahren erheblich überschreiten und weit über sieben Jahre andauern könnte. Zudem sehe § 638 Abs. 2 BGB a. F. ausdrücklich vor, die fünfjährige Verjährungsfrist vertraglich zu verlängern. Gerade diese Vorschrift, die für Baumängel besondere Bedeutung habe, zeige, dass die Klausel keine erhebliche Abweichung von der gesetzlichen Regelung enthalte.
An dieser Rechtsprechung hält der Senat nun auch für das neue Schuldrecht unter Verweis auf die gesetzliche Hemmung der Verjährung z. B. durch Einleitung von Klagen und selbständigen Beweisverfahren fest, die auch noch 6 Monate nach Beendigung des Verfahrens fortdauert (§§ 204, 209 BGB). Zudem könne nach § 202 Abs. 2 BGB die Verjährungsfrist bis zur Grenze von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn hinaus erschwert werden.
Die in § 13 Nr. 4 Abs. 1 Fall 1 VOB/B (2000) geregelte Regelverjährung von zwei Jahren gebietet es nicht, die vereinbarte Verjährungsfrist nach § 307 BGB für unwirksam zu halten, weil sich die Inhaltskontrolle am Gesetz orientiert und nicht an der VOB/B.
2. Die Ermittlung der Höhe des Vermögensschadens der Klägerin beruht auf den erforderlichen, tatsächlich jedoch nicht angefallenen (Netto‑)Mängelbeseitigungskosten.
Der Bundesgerichtshof hatte für einen nach dem 31. Dezember 2001 geschlossenen Vertrag unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass ein Besteller, der den Mangel seines Werks nicht beseitigen lässt, seinen Schaden im Verhältnis zum Architekten nicht nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen kann (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – VII ZR 46/17 Rn. 60 ff., BauR 2018, 815 = NZBau 2018, 201). Eine solche Bemessung lasse sich entgegen der bisherigen Rechtsprechung, wonach ein Mangel selbst ein Vermögensschaden in Höhe der notwendigen Mängelbeseitigungskosten sei, nicht begründen. Denn es gehe im Verhältnis zum Architekten/Ingenieur nicht um die Bemessung eines Mangelschadens, weil der Architekt nicht die Errichtung des Bauwerks selbst schuldet. Mängel des Architektenwerks seien nur Defizite in der Planung und Überwachung. Vor diesem Hintergrund habe der Bundesgerichtshof im Rahmen des zum 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Schuldrechts das Schadensersatzrecht sowohl für Ansprüche gegen den Architekten als auch gegen den Unternehmer neu gestaltet und harmonisiert. Diese neue Rechtsprechung kann nicht auf vor dem 1. Januar 2002 geschlossene Verträge angewandt werden, weil eine entsprechende Neugestaltung und Harmonisierung auf der Grundlage des alten Schuldrechts nicht möglich sei.
Die AGB‑Prüfung von VOB/B‑Klauseln wird bei Eingriffen in die VOB/B als Ganzes, die die Privilegierung der VOB/B entfallen lässt, zunehmend Bedeutung erlangen. Die Entscheidung schafft für die Übernahme der gesetzlichen Gewährleistungsfristen in einen VOB/B‑Vertrag (auch in ihrer aktuellen Fassung) Rechtssicherheit. Die anklingende Möglichkeit, die Gewährleistung auch über die gesetzlichen Fristen hinaus verlängern zu können, bleibt aber ungewiss. Aufgrund der Vielzahl möglicher Verlängerungen kommt es in AGB auf eine kritische Würdigung des Einzelfalls an.
Das Festhalten an der bisherigen fiktiven Schadensberechnung für Fälle, die unter das alte Schuldrecht vor 2002 fallen, lässt ein gewisses Augenmaß zum Schutz des Vertrauens auf eine bestehende Rechtsprechung für Fälle, denen keine Gesetzesänderung zur Grunde liegt, erkennen. Insoweit kann man möglicherweise für kommende Rechtsprechungsänderungen im Lichte des neuen Bauvertragsrechts auf einen gewissen Vertrauensschutz für Altfälle hoffen.
Bartholomäus Aengenvoort
Partner
Rechtsanwalt
(aengenvoort@redeker.de)
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