Am 31. Dezember 2024 endet die Möglichkeit für Arbeitgeber, ihren Arbeitnehmern eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie (IAP) zu zahlen. Vielfach stellt sich die Frage: nur alle oder keiner oder nach welchen Kriterien darf zwischen Arbeitnehmern differenziert werden?
Im Ausgangspunkt ist der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Dieser verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage als auch eine sachfremde Gruppenbildung. Das Gebot der Gleichbehandlung greift ein, wenn der Arbeitgeber Leistungen aufgrund eines generalisierenden Prinzips gewährt. Arbeitnehmer werden nicht sachfremd benachteiligt, wenn nach dem Zweck der Leistung Gründe vorliegen, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, ihnen die anderen Arbeitnehmern gewährten Leistungen vorzuenthalten.
Aus der bisher zur IAP ergangenen Rechtsprechung lassen sich Fallgruppen erkennen, bei denen das Vorliegen sachlicher Gründe bejaht wurde.
- So darf die Leistung einer IAP unter die Voraussetzung gestellt werden, dass sie nur solchen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen gezahlt wird, die einen Anspruch auf arbeitsleistungsbezogene Vergütung hatten. Darin liegt nach dem LAG Baden‑Württemberg keine sachfremde Gruppenbildung (LAG Baden‑Württemberg vom 14.8.2024 – 10 Sa 4/24 –, Rn. 26, juris).
Der Kläger hatte das gesamte Jahr keine Arbeitsleistung erbracht und keinerlei Entgelt erhalten (auch keine Entgeltfortzahlung). Das LAG hat entschieden, dass ein Arbeitgeber eine Sonderzahlung grundsätzlich an die Voraussetzung knüpfen darf, dass in dem Zeitraum, für den die Zahlung geleistet wird, Arbeit erbracht wird.
- Weiterhin zeichnet sich ab, dass keine sachfremde Benachteiligung von Arbeitnehmern in der Passivphase der Altersteilzeit vorliegt, wenn der Arbeitgeber nur an die noch aktiv Beschäftigten eine Inflationsausgleichsprämie zahlt (etwa LAG Niedersachsen vom 17.5.2024 – 14 Sa 26/24; LAG Niedersachsen vom 21.02.2024 – 8 Sa 564/23 – Rn. 40; LAG Düsseldorf vom 5.3.2024 – 14 Sa 1148/23 –, Rn. 114, alle juris).
Anders sieht das etwa das Arbeitsgericht Köln. Es führt aus, dass jedenfalls in Hinblick auf den Zweck des Teuerungsausgleichs auch die Altersteilzeitler in der Freistellungsphase den aktiven Arbeitnehmern vergleichbar sind, da auch sie von dem Kaufkraftverlust betroffen sind (ArbG Köln vom 28.2.2024 – 18 Ca 4857/23 –, Rn. 47, juris).
- Weiterhin ist es regelmäßig nicht sachwidrig, eine Sonderleistung nur denjenigen Beschäftigten zukommen zu lassen, von denen sich der Arbeitgeber auch in Zukunft Arbeitsleistung erwartet bzw. erhofft, um hierfür einen Anreiz zu setzen (LAG Niedersachsen vom 21.2.2024 – 8 Sa 564/23 –, juris). Mithin kann die zukünftige Betriebstreue einen sachlichen Grund darstellen (ArbG Stuttgart vom 14.11.2023 – 3 Ca 2713/23 –, Rn. 31, juris).
- Weiterhin wurde als sachlicher Grund, der eine Differenzierung rechtfertigt, anerkannt, wenn Zweck der Zahlung der IAP ist, solchen Arbeitnehmern, die auf eine Sonderzahlung verzichtet hatten, einen Ausgleich gegenüber den übrigen Arbeitnehmern zu gewähren, die weiter einen Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld haben (ArbG Paderborn vom 6.7.2023 – 1 Ca 54/23 –, Rn. 24, juris).
Das Vorliegen sachlicher Gründe wurde hingegen bei folgenden Fällen verneint:
- Der Arbeitgeber kann eine Gruppe von Arbeitnehmern mit einer gewissen Anzahl an Krankheitstagen vom Kreis der Begünstigten dann nicht ausschließen, wenn dabei nicht zwischen Arbeitsunfähigkeitszeiten und Zeiten nicht erbrachter Arbeitsleistung aufgrund eines noch nicht bestehenden Arbeitsverhältnisses im Betrachtungszeitraum unterschieden wird. Dies ist als sachwidrig zu bewerten, weil keine Gründe vorliegen, welche dies im Rahmen der benannten oder gesetzlichen Zwecksetzung rechtfertigen können (ArbG Nienburg vom 29.2.2024 – 1 Ca 155/23 –, juris).
- Nach dem Arbeitsgericht Stuttgart rechtfertigt die Prognose, unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer stünden weiterhin in einem Arbeitsverhältnis, während das Ausscheiden befristet beschäftigter Arbeitnehmer feststehe, eine unterschiedliche Behandlung jedenfalls dann nicht, soweit sich der Bezugszeitraum für die Betriebstreue auf ein Jahr bezieht.
Bei Sonderzahlungen, die ausschließlich die Betriebstreue belohnen, können grundsätzlich befristet beschäftigte Arbeitnehmer, die am Stichtag nicht mehr beschäftigt sind, von einem Anspruch ausgenommen werden (ArbG Stuttgart vom 14.11.2023 – 3 Ca 2713/23 –, Rn. 31, juris). Bei der konkreten Ausgestaltung wurden vorliegend aber befristet beschäftigte Arbeitnehmer, deren Befristungsende vor dem Stichtag lag, ohne sachliche Rechtfertigung schlechter gestellt. Während unbefristet beschäftigten Arbeitnehmer die IAP selbst dann erhalten, wenn sie weit vor dem Stichtag vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag ausscheiden, erhalten befristet beschäftigte Arbeitnehmer die Zahlung nur dann, wenn ihre Befristung am Stichtag oder später endet (ArbG Stuttgart vom 14.11,2023 – 3 Ca 2713/23 –, Rn. 34, juris).
Praxishinweis
Sofern noch vor Ablauf dieses Jahres eine IAP an Gruppen von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen ausgezahlt werden soll, kann diese Übersicht als Grundlage für eine wirksame Differenzierung herangezogen werden. Dabei sind – wie so oft – die Umstände des Einzelfalls entscheidend. Gerne helfen wir Ihnen bei der richtigen Einordnung weiter! Eine Garantie für den Bestand der größtenteils erst- bzw. oberinstanzlichen Rechtsprechung können wir nicht übernehmen.