Der gesetzliche Urlaubsanspruch entsteht jeweils mit Beginn des neuen Jahres. Mithin ist der Urlaubsanspruch für das Jahr 2025 bereits am 1.1.2025 entstanden. Inwiefern zu diesem neuen Urlaubsanspruch noch Ansprüche auf Resturlaub aus den Vorjahren hinzutreten, hängt von mehreren Umständen ab. Grundsätzlich verfällt der an das jeweilige Kalenderjahr gebundene Urlaubsanspruch nach § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) mit Ablauf des 31.12. des jeweiligen Jahres. Eine Übertragung in das neue Kalenderjahr ist nach dem Gesetz ausnahmsweise nur dann möglich, wenn dringende betriebliche Gründe oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Dann verfällt der Urlaubsanspruch, wenn und soweit er bis dahin nicht erfüllt wurde, grundsätzlich mit Ablauf des 31.3. des Folgejahres.
Bereits im Februar 2024 haben wir in unserem Newsletter die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum Verfall von gesetzlichen Urlaubsansprüchen veranschaulicht. Der oben beschriebene Verfall von Urlaubsansprüchen setzt grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen, und dass der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht in Anspruch genommen hat. Der Arbeitgeber hat seine Mitwirkungsobliegenheit nach der Rechtsprechung des BAG in der Regel dadurch zu erfüllen, dass er
Nach der Rechtsprechung ist ein entsprechender Hinweis noch in der ersten Januarwoche allen Arbeitnehmern zu erteilen. Denn Aufforderung und Hinweis müssen zwar nicht sofort nach Urlaubsentstehung erfolgen, jedoch unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern. Da die Berechnung des Urlaubsanspruchs und die Formulierung der Belehrung nach Ansicht des BAG regelmäßig keine besonderen Schwierigkeiten bereiten würden, sei unter normalen Umständen eine Zeitspanne von einer Woche ausreichend. In der Regel handele der Arbeitgeber jedoch nicht unverzüglich, wenn er seine Mitwirkungsobliegenheiten erst später als eine Woche nach Urlaubsentstehung erfülle (BAG vom 31.1.2023 – 9 AZR 107/20).
Ein entsprechendes Hinweisschreiben könnte auf folgendem Muster aufgebaut werden:
„Sehr geehrte/r Herr/Frau […],
gerne möchten wir Sie über Ihre Urlaubsansprüche in diesem Kalenderjahr informieren:
Nach den für Sie geltenden Regelungen steht Ihnen in diesem Kalenderjahr ein Urlaubsanspruch in Höhe von […] Arbeitstagen zu (nachfolgend: „Jahresurlaub“). Dieser Jahresurlaub besteht aus dem gesetzlichen Mindesturlaub in Höhe von […] Arbeitstagen sowie dem vertraglichen Mehrurlaub in Höhe von […] Arbeitstagen.
Aus den Vorjahren haben Sie […] Arbeitstage in dieses Kalenderjahr übertragen, die noch nicht verfallen sind (nachfolgend: „Resturlaub“). Davon sind […] Tage gesetzlicher Mindesturlaub.
Für den Jahres- und den Resturlaub gelten folgende Verfallfristen:
Der Jahresurlaub ist grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr, d. h. bis zum 31. Dezember dieses Jahres in Anspruch zu nehmen. Das bedeutet, dass der <u>gesetzliche Mindesturlaub</u> [ebenso wie der <u>vertragliche Mehrurlaub</u>], soweit er nicht innerhalb dieses Zeitraums in Anspruch genommen wird, gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) grundsätzlich am 31. Dezember desselben Jahres ersatzlos verfällt. Ausnahmsweise, wenn dringende betriebliche Gründe oder in Ihrer Person liegende Gründe (z. B. eine Erkrankung) dies rechtfertigen, wird der noch nicht in Anspruch genommene Urlaub auf das erste Quartal des Folgejahres übertragen (§ 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG). Dann ist der Urlaub bis zum 31. März des Folgejahres in Anspruch zu nehmen, anderenfalls verfällt er. Eine weitergehende Ausnahme gilt für längerfristig arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer, denen wegen ihrer Arbeitsunfähigkeit eine Inanspruchnahme des übertragenen [gesetzlichen Mindest]Urlaubs auch bis zum 31. März des Folgejahres nicht möglich ist. In diesem Fall verfällt der [gesetzliche] Urlaubsanspruch erst mit Ablauf des 31. Dezember des Folgejahres, es sei denn, dass die Inanspruchnahme wegen andauernder krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit auch bis dahin noch nicht möglich war, dann verfällt der Urlaubsanspruch ersatzlos am 31. März des übernächsten Jahres.
Ggf.: Der Jahresurlaub in Form des <u>vertraglichen Mehrurlaubs</u> verfällt nach § […] des Arbeitsvertrages/Tarifvertrages in jedem Fall mit Ablauf des Übertragungszeitraumes, mithin mit Ablauf des 31.3. des auf das Jahr der Entstehung des Urlaubsanspruchs folgenden Jahres.
Der übertragene Resturlaub [in Form des <u>gesetzlichen Mindesturlaubs</u>] ist gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG grundsätzlich bis zum 31. März des Folgejahres in Anspruch zu nehmen. Soweit Sie den Resturlaub [in Form des gesetzlichen Mindesturlaubs] nicht innerhalb dieses Zeitraums in Anspruch nehmen, verfällt dieser ersatzlos. Eine Verlängerung des Übertragungszeitraums kommt nur in Betracht, wenn sie wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit den noch offenen Resturlaub in Form des gesetzlichen Mindesturlaubs aus dem Vorjahr nicht bis zum 31.3. dieses Jahres nehmen konnten.
Ggf.: Resturlaub in Form des <u>vertraglichen Mehrurlaubs</u> ist hingegen jeweils mit Ablauf des 31.3. des Folgejahres verfallen.
Wir fordern Sie hiermit auf, Ihren Urlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass Sie ihn innerhalb der vorgenannten Verfallfristen auch tatsächlich in Anspruch nehmen können. Setzen Sie sich dazu bitte möglichst frühzeitig mit [Vorgesetzten] in Verbindung und stimmen mit ihr/ihm Ihre Urlaubsplanung ab.
Wenn Sie sich im Lauf dieses Jahres einmal unsicher sind, wie viele Urlaubstage Ihnen noch zustehen, können Sie sich gerne an uns wenden. Wir teilen Ihnen die aktuelle Anzahl Ihrer Urlaubstage dann mit. Senden Sie uns dazu einfach eine E‑Mail an […] oder nehmen Sie mit uns telefonisch Kontakt auf unter […].
Sollten Sie darüber hinaus Fragen haben oder Unterstützung benötigen, stehen wir Ihnen unter den vorstehenden Kontaktdaten gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
[…]“
<u>Gerne helfen wir Ihnen dabei, das Hinweisschreiben dem jeweiligen Einzelfall anzupassen.</u>
Eine Ausnahme vom Grundsatz der Mitwirkungsobliegenheit besteht bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern, die bereits bei Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31.3. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres arbeitsunfähig bzw. voll erwerbsgemindert waren. Das BAG urteilte, dass der Urlaubsanspruch in diesem Fall nach Ablauf der 15‑Monats‑Frist verfällt, und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist. Hier seien nicht Handlungen oder Unterlassungen des Arbeitgebers, sondern allein die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers für den Verfall des Urlaubs kausal (BAG vom 20.12.2022 – 9 AZR 245/19 und vom 20.12.2022 – 9 AZR 401/19).
Dabei ist zu beachten, dass nur im Nachhinein feststeht, ob der Arbeitnehmer auch bis zum 31.3. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgende Kalenderjahr durchgängig arbeitsunfähig geblieben ist und somit allein die Arbeitsunfähigkeit für den Verfall des Urlaubs kausal war. Zum Zeitpunkt des Jahreswechsels und somit zum Zeitpunkt der Mitwirkungsobliegenheit ist dies hingegen ungewiss. Insofern sollte vorsorglich auch den Mitarbeitern, die zum Beginn des Jahres 2025 arbeitsunfähig erkrankt sind, ein vergleichbarer Hinweis unverzüglich zu Jahresbeginn erteilt werden. Dies gilt selbst dann, wenn aufgrund des bisherigen Verlaufs eine positive Gesundheitsprognose nicht sehr wahrscheinlich ist. Das obenstehende Muster sollte in diesen Fällen entsprechend angepasst werden.
Darüber hinaus ist bei arbeitsunfähigen Arbeitnehmern jedenfalls immer dann ein Hinweis in der ersten Januarwoche zu erteilen, wenn die sich im Nachhinein als langanhaltend herausstellende Arbeitsunfähigkeit erst im Verlauf des laufenden Kalenderjahres beginnt. Denn auch dann besteht zumindest vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit die Möglichkeit, den Urlaub – bei Aufforderung durch den Arbeitgeber – tatsächlich in natura in Anspruch zu nehmen (BAG vom 20.12.2022 – 9 AZR 245/19 und vom 20. 12.2022 – 9 AZR 401/19).
<u>Ein entsprechender Hinweis sollte daher vorsorglich allen Mitarbeitern in der ersten Januarwoche erteilt werden.</u>
Es besteht die Möglichkeit, für (tarif)vertraglichen Mehrurlaub gesonderte Verfallsregeln zu vereinbaren. Das umfasst neben einer abweichenden Fristenregelung zum Verfall auch die Anforderungen an die Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers. So kann die Initiativlast für die Verwirklichung des (tarif)vertraglichen Urlaubsanspruchs abweichend von § 7 BUrlG dem Arbeitnehmer zukommen (BAG vom 25.7.2023 – 9 AZR 285/22 –, Rn. 17).
Ira Kemmerling, LL.M. (Stellenbosch)
Associate
Rechtsanwältin
(kemmerling@redeker.de)
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