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BGH stärkt mit Grundsatzentscheidung das Bargeschäftsprivileg

Die Insolvenz des Vertragspartners verbunden mit der Anfechtung der von diesem an den Gläubiger geleisteten Zahlungen nach den §§ 129 ff. InsO führt für den Gläubiger regelmäßig zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden. Die Leistung des Vertragspartners muss in voller Höhe an die Insolvenzmasse zurückgewährt werden und im Gegenzug erhält der Gläubiger – wenn überhaupt – nur eine regelmäßig geringe Insolvenzquote. Ein Risiko, das angesichts steigender Unternehmensinsolvenzen in Zukunft für Gläubiger immer häufiger drohen wird. Dementsprechend besteht im Rechtsverkehr ein großes Interesse, Anfechtungsrisiken weitestmöglich zu reduzieren.

I. Einordnung der Rechtsprechung

Eine Option zur Absicherung gegen Anfechtungsrisiken, ist das sog. Bargeschäftsprivileg (§ 142 InsO). Danach ist eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1–3 InsO (Vorsatzanfechtung) gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner „unlauter“ handelte.

In der Literatur war bisher umstritten, wie das Tatbestandsmerkmal „unlauter“ auszulegen sei. In einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 05.12.2024 – IX ZR 122/23) hat der Bundesgerichtshof hierzu nunmehr ausführlich Stellung genommen und für Klarheit in vielen relevanten Fallgestaltungen gesorgt.

Das Urteil stellt hierbei eine weitere aktuelle Grundsatzentscheidung zum Themenbereich „Insolvenzanfechtung und Bargeschäftsprivileg“ dar.

II. Maßgebliche Ausführungen der Entscheidung

Die wesentliche Klarstellung der BGH‑​Entscheidung liegt darin, dass allein das Fortführen von unrentablen, also dauerhaft verlustträchtigen Geschäften für sich genommen kein unlauteres Handeln im Sinne des § 142 Abs. 1 InsO darstellt.

Darüber hinaus trifft der BGH in seiner Entscheidung weitere Feststellungen zur Auslegung des Merkmals „unlauter“. Letztlich müsse für die Verwirklichung dieses Merkmals ein gezielt auf die Schädigung der übrigen Gläubiger abzielendes Verhalten und weniger eine reine Abwicklung von Bargeschäften vorliegen.

Der BGH führt dabei bestimmte, praxisrelevante Fallgestaltungen auf, in denen er ein unlauteres Handeln des Schuldners erblickt. Dargestellt werden insbesondere Sachverhalte, in denen es dem Schuldner auf die Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers ankommt, etwa wenn ein Schuldner zahlt, um den Gläubiger von der Stellung eines Insolvenzantrags abzuhalten. Entsprechendes gilt laut BGH, wenn der Schuldner Vermögen einsetzt und die Gegenleistung den anderen Gläubigern unter keinen Gesichtspunkten zugutekommen kann. Dies soll beispielsweise dann der Fall sein, wenn für die Betriebsfortführung notwendiges Vermögen abgestoßen wird und der Schuldner den Gegenwert entziehen will oder wenn ein bargeschäftlicher Leistungsaustausch im Vorfeld eines als unabwendbar erkannten und vom Schuldner beabsichtigten Insolvenzantrags erfolgt.

Unlauteres Handeln kommt laut Ausführung des BGH weiter in Betracht, wenn der Schuldner Bargeschäfte mit nahestehenden Personen vornimmt und der Schuldner diese nahestehenden Personen insoweit anders behandelt als andere Gläubiger oder wenn der bargeschäftliche Leistungsaustausch zwischen verbundenen Unternehmen dazu eingesetzt wird, Waren und Leistungen an den Schuldner abzusetzen, um dessen verbleibende Vermögenswerte auf das liefernde Unternehmen überzuleiten.

Einer in der Literatur vertretenen Ansicht, dass ein gem. § 15a oder § 15b InsO pflichtwidriges Verhalten, also die Verletzung von Insolvenzantragspflichten, für ein unlauteres Handeln ausreiche, erteilt der BGH hingegen eine Absage. Begründet wird dies damit, dass § 142 InsO und § 15a und § 15b InsO unterschiedliche Schutzkonzepte verfolgten.

III. Fazit für die Praxis und Beratung

Mit der Entscheidung des BGH zu den Anforderungen an ein unlauteres Handeln im Sinne von § 142 Abs. 1 InsO wird das Bargeschäftsprivileg weiter gestärkt und hierunter fallende Austauschgeschäfte vor der Insolvenz eines Geschäftspartners erneut insolvenzanfechtungsfester.

Selbst bei Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners kommt nun bei einem unmittelbaren Austausch gleichwertiger Leistungen eine Insolvenzanfechtung nur noch dann in Betracht, wenn auch die vom BGH gesetzten Hürden des unlauteren Handelns erreicht werden.

In der Praxis können bei richtiger Gestaltung Rechtsgeschäfte nun sicherer anfechtungsfest ausgestaltet werden.

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