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Update für das BGB – Änderungen zum 1. Januar 2022

Die Digitalisierung macht auch vor dem Bürgerlichen Gesetzbuch nicht Halt: Die Umsetzung der Richtlinien (EU) 2019/770 (Digitale‑​Inhalte‑​Richtlinie, im Folgenden: DIRL) und (EU) 2019/771 (Warenkaufrichtlinie, im Folgenden: WKRL) führt zu zahlreichen terminologischen und systematischen, aber auch inhaltlichen Neuregelungen im allgemeinen und besonderen Schuldrecht; die Änderungen gelten für sämtliche Verträge, die ab dem 1. Januar 2022 geschlossen werden.

Änderungen im allgemeinen Schuldrecht

Die Änderungen im allgemeinen Schuldrecht betreffen den Anwendungsbereich der für Verbraucherverträge relevanten §§ 312 ff. BGB sowie die gesetzlich neu konzipierten Verbraucherverträge über digitale Produkte nach den §§ 327 ff. BGB.

Nach § 312 Abs. 1a BGB gelten die Vorgaben der §§ 312a bis einschließlich 312h BGB künftig auch für solche Verbraucherverträge, bei denen der Verbraucher dem Unternehmer keinen (geldlichen) Preis zahlt, sondern personenbezogene Daten bereitstellt oder sich hierzu verpflichtet. Erfasst werden indes nur Fälle, in denen der Unternehmer mit der Datenverarbeitung nicht ausschließlich seine Leistungspflicht oder an ihn gestellte rechtliche Anforderungen erfüllt.

Für Verbraucherverträge, welche die Bereitstellung digitaler Produkte (also digitaler Inhalte oder Dienstleistungen, vgl. § 327 Abs. 2 BGB) zum Gegenstand haben, gelten künftig die Neuregelungen der §§ 327 ff. BGB. Dabei genügt wiederum entsprechend § 312 Abs. 1a BGB, dass der Verbraucher personenbezogene Daten bereitstellt (§ 327 Abs. 3 BGB). Die §§ 327 ff. BGB sind im Wesentlichen für digitale Massenprodukte (Apps, E‑​Books, Streamingdienste etc.) relevant, daneben aber auch für digitale Produkte, die nach den Spezifikationen des Verbrauchers erstellt wurden (§ 327 Abs. 4 BGB). Auf die konkrete vertragstypologische Einordnung kommt es nicht an – besondere Vorgaben gelten allerdings für Kaufverträge über Waren mit „digitalen Elementen“ (dazu eingehend unten: Änderungen im Verbrauchsgüterkaufrecht).

Im Rahmen solcher Verbraucherverträgen ist der Unternehmer nach § 327d BGB verpflichtet, das betreffende digitale Produkt frei von Produkt- und Rechtsmängeln im Sinne der §§ 327e bis 327g BGB bereitzustellen. Als neuen Rechtsgedanken greift der Produktmangelbegriff neben subjektiven und objektiven Anforderungen (§ 327e Abs. 2 und 3 BGB) sog. Anforderungen an die Integration auf (als Verbindung und Einbindung eines digitalen Produkts mit den oder in die Komponenten der digitalen Umgebung des Verbrauchers, vgl. im Einzelnen § 327e Abs. 4 BGB). Nach § 327f BGB ist der Unternehmer weiter verpflichtet, dem Verbraucher funktions- und sicherheitserhaltende Updates für das digitale Produkt bereitzustellen (und darüber zu informieren). Unklar ist allerdings die Dauer dieser Aktualisierungspflicht (jedenfalls sofern nicht schon der Bereitstellungszeitraum maßgeblich ist, vgl. § 327f Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB): Diesbezüglich stellt das Gesetz vage auf die objektivierte Erwartungshaltung des Verbrauchers ab (vgl. § 327f Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB: „Zeitraum, den der Verbraucher aufgrund der Art und des Zwecks des digitalen Produkts und unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags erwarten kann“).

Der Rechtsmangelbegriff verweist auf die mit der Nutzung des digitalen Produkts einhergehende Verletzung von Rechten Dritter (§ 327g BGB). Restriktive Vorgaben zur Abdingbarkeit enthält § 327h BGB.

Die Rechte des Verbrauchers bei Mängeln regelt § 327i BGB: Vergleichbar mit der kaufrechtlichen Systematik (§ 437 BGB) kann der Verbraucher

  • Nacherfüllung verlangen,
  • den Vertrag beenden oder den Preis mindern sowie
  • Schadensersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.

Im Rahmen der Mängelrechte wird abermals relevant, ob der Verbraucher (keine Geldleistung erbracht, sondern) ausschließlich personenbezogene Daten bereitgestellt hat: In diesem Fall besteht namentlich das Recht zu Vertragsbeendigung auch bei nur unerheblichen Mängeln. Erbringt der Verbraucher eine Geldleistung, ist er bei unerheblichen Mängeln auf sein Minderungsrecht beschränkt – eine geminderte Bereitstellung von Daten ist freilich nicht denkbar, sodass es sachgerecht erscheint, dem Verbraucher auch in diesem Fall ein Beendigungsrecht einzuräumen.
Die Folgen der Vertragsbeendigung regelt § 327p BGB; hinsichtlich personenbezogener Daten verbleibt es bei den Regelungen der DSGVO (insbesondere Recht auf Löschung nach Art. 17 und Recht auf Datenübertragbarkeit nach Art. 20; zum Verhältnis zwischen den §§ 327 ff. BGB und der DSGVO vgl. auch § 327q BGB).

Zeigt sich innerhalb eines Jahres ab Bereitstellung des digitalen Produktes ein Mangel, wird gemäß der Beweislastumkehr in § 327k BGB grundsätzlich vermutet, dass dieser bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bereitstellung vorlag.

Änderungen im besonderen Schuldrecht

Die Änderungen im besonderen Schuldrecht betreffen im Wesentlichen das allgemeine Kaufrecht und das Verbrauchsgüterkaufrecht.

Änderungen im Kaufrecht

Die auch für den unternehmerischen Rechtsverkehr (B2B) relevanten, vornehmlich begrifflichen Änderungen im allgemeinen Kaufrecht sehen insbesondere eine neue Definition des Sachmangels vor:

In seiner neuen Fassung verweist § 434 BGB zunächst auf „subjektive“ und „objektive“ Anforderungen (Abs. 1). Die <u>subjektiven Anforderungen</u> entsprechen dabei im Ausgangspunkt der bereits nach altem Recht bekannten Beschaffenheitsvereinbarung (vgl. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1). Dabei sollen zur Beschaffenheit, wie Abs. 2 Satz 2 konkretisiert, auch Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige Merkmale der Sache gehören (zu den Begriffen vgl. weitergehend Art. 2 WKRL; ein Rückgriff auf die §§ 327 ff., insbesondere § 327e BGB scheidet insofern aus, als diesen Regelungen nicht die WKRL, sondern die DIRL zugrunde liegt). Ebenfalls nach altem Recht bekannt ist die Eignung für die im Vertrag vorausgesetzte Verwendung (vgl. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2): Dabei soll nach der WKRL genügen, dass der Käufer dem Verkäufer den avisierten Zweck spätestens bei Vertragsabschluss zur Kenntnis gebracht und der Verkäufer – nicht notwendigerweise ausdrücklich – zugestimmt hat.

Anders als nach altem Recht stehen Beschaffenheitsvereinbarung und subjektive Verwendungseignung nunmehr gleichrangig nebeneinander („und“); weiteres kumulatives Kriterium der subjektiven Anforderungen ist schließlich die Übergabe mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen (Abs. 2 Satz 1 Nr. 3).

Wiederum nach altem Recht bekannt ist die Eignung zur gewöhnlichen Verwendung als Teil der <u>objektiven Anforderungen</u> (Abs. 3 Satz 1 Nr. 1). Dabei stellt die Neufassung klar, dass die Sache der Beschaffenheit einer Probe oder eines Musters des Verkäufers entsprechen muss (Abs. 3 Satz 1 Nr. 3). Einem Sachmangel steht auch weiterhin die Aliudlieferung gleich (Abs. 5) – die nach altem Recht einem Mangel ebenfalls gleichstehende Minderlieferung führt demgegenüber bereits zu einem Abweichen von den dargestellten subjektiven Anforderungen (vgl. Abs. 2 Satz 2: „Menge“).

Änderungen im Verbrauchsgüterkaufrecht

Sonderregelungen für Sachmängel bei „Waren mit digitalen Elementen“ (abzugrenzen von dem oben dargestellten Kauf von digitalen Produkten) enthalten die §§ 475b und 475c BGB. Erfasst werden Kaufverträge über Waren, die in einer Weise digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind, dass die Waren ihre Funktionen ohne diese digitalen Produkte nicht erfüllen können (§§ 475b Abs. 1, 327a Abs. 3 Satz 1 BGB; etwa ein Notebook samt Betriebssystem). Auch insoweit wird zwischen subjektiven und objektiven Anforderungen unterschieden. Um den subjektiven Anforderungen nach § 475b Abs. 3 BGB gerecht zu werden, müssen insbesondere – über die Anforderungen des § 434 Abs. 2 BGB (siehe oben) hinausgehend – für die digitalen Elemente die im Kaufvertrag vereinbarten Aktualisierungen während des nach dem Vertrag maßgeblichen Zeitraums bereitgestellt werden. Im Rahmen der objektiven Anforderungen nach § 475b Abs. 4 BGB steht dem Verbraucher – über die Anforderungen des § 434 Abs. 3 BGB (siehe oben) hinausgehend – auch ohne vertragliche Vereinbarung ein Anspruch auf solche Aktualisierungen zu, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Ware erforderlich sind. Für den Zeitraum der Aktualisierungspflicht soll wiederum ein objektivierter Erwartungshorizont des Verbrauchers maßgeblich sein. Auch für die dauerhafte Bereitstellung digitaler Elemente kommt es mangels vertraglicher Vereinbarung auf den genannten Erwartungshorizont an (vgl. § 475c Abs. 2 BGB; mindestens aber zwei Jahre).

Nach der Neuregelung in § 476 Abs. 1 Satz 2 BGB erfordert eine negative Beschaffenheitsvereinbarung nunmehr die ausdrückliche und gesonderte Zustimmung des Verbrauchers.

Für Verbrauchsgüterkäufe wurde die Beweislastumkehr (entsprechend § 327k BGB) nach § 477 BGB ebenfalls auf die Dauer eines Jahres erstreckt.

Weitere Änderungen im besonderen Schuldrecht

Abseits der Neufassung der kaufrechtlichen Regelungen sollten zukünftig weitere, indes nur punktuelle Änderungen im besonderen Schuldrecht berücksichtigt werden:

Für Verbraucherverträge über die Schenkung digitaler Produkte verweist § 516a BGB auf die §§ 327 ff. BGB. Nach § 548a BGB sind die Vorschriften über die Miete auf digitale Produkte anzuwenden, indes verweist § 578b BGB teilweise auf die §§ 327 ff. BGB; im Rahmen der Kündigung ist außerdem § 580a (Abs. 3) BGB zu berücksichtigen. Auch die Beendigung von Dienstverhältnissen (B2C) wurde in § 620 Abs. 4 BGB modifiziert. Bei Werkverträgen (B2C) über digitale Produkte gilt nach § 650 Abs. 2 BGB ebenfalls das Mängelrecht der §§ 327 ff. BGB.

Cornelius Wefing

Dr Cornelius Wefing
senior associate

attorney
(wefing@redeker.de)

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