Einem Hinweisbeschluss des OLG München zufolge dürften viele nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Fremdgeschäftsführern unwirksam sein. Die verbreitet empfohlene (und verwendete) Formulierung, wonach der Geschäftsführer verpflichtet ist, für eine bestimmte Dauer nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses „weder in selbstständiger noch unselbstständiger Stellung oder in sonstiger Weise“ für ein Konkurrenzunternehmen der Gesellschaft tätig zu werden, soll zu weit gefasst und damit unwirksam sein. Denn davon werde auch die Tätigkeit z. B. als Hausmeister für ein Konkurrenzunternehmen erfasst. Die zu weit gehende Formulierung könne nicht auf ein zulässiges Maß reduziert werden und werde auch nicht durch eine sog. salvatorische Klausel gerettet, weil diese gegen das Transparenzgebot des § 305c Abs. 2 BGB verstoße. Auch die Höhe einer zugesagten Karenzentschädigung könne nicht im Rahmen einer Abwägung berücksichtigt werden. Mit dieser Begründung hat das OLG München eine die Unwirksamkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots feststellende einstweilige Verfügung des Landgerichts München bestätigt (Beschluss vom 2.8.2018 – 7 U 2107/18).
Während ein mit einem Arbeitnehmer vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74a Abs. 1 S. 2 HGB nur insoweit unverbindlich – das heißt im Übrigen verbindlich und wirksam – ist, wie es unter Berücksichtigung der gewährten Entschädigung nach Ort, Zeit oder Gegenstand eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers enthält, soll nach Ansicht des OLG München ein mit einem Fremdgeschäftsführer einer GmbH vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot insgesamt nichtig sein, wenn die sachliche Reichweite zu weit gefasst ist. Das OLG München erkennt zwar an, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei einer übermäßig langen Bindungsdauer eine Verkürzung auf das zeitlich zulässige Maß in Betracht kommt; entsprechendes gelte auch bei einer zu weiten Fassung des räumlichen Geltungsbereichs. Jedoch scheide diese Möglichkeit aus, wenn das nachvertragliche Wettbewerbsverbot dem Gegenstand nach das zulässige Maß überschreite. Dies sei dann der Fall, wenn von dem Verbot jede andere Tätigkeit für ein konkurrierendes Unternehmen erfasst werde.
Vor diesem Hintergrund wird empfohlen, nachvertragliche Wettbewerbsverbote auch gegenständlich zu überprüfen und bestimmte nachgeordnete Tätigkeiten ausdrücklich davon auszuklammern. Zwar wird damit die Gefahr einer Umgehung erhöht, insbesondere wenn der Geschäftsführer in einer (weit) untergeordneten Stellung sein Wissen weitergibt. Dies nimmt das OLG München jedoch „sehenden Auges“ in Kauf, indem es darauf hinweist, dass der ausgeschiedene Geschäftsführer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Gesellschaft auch bei einem eng gefassten nachvertraglichen Wettbewerbsverbot nicht preisgeben dürfe.
Die Entscheidung wird zwar im Schrifttum kritisch aufgenommen. Insbesondere wird eingewandt, dass es sich bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH um arbeitnehmerähnliche Personen handele, auf die die §§ 74 ff. HGB entsprechend anwendbar seien. Diesem Argument ist jedoch entgegenzuhalten, dass es bei (besonders) hohen Gesamtbezügen an der sozialen Schutzbedürftigkeit, die für arbeitnehmerähnliche Personen typisch ist und verlangt wird, fehlt. Diesem Argument dürfte zudem durch eine neue Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts der Boden entzogen worden sein. Danach nimmt der Fremdgeschäftsführer einer GmbH Arbeitgeberfunktionen wahr und ist deshalb keine arbeitnehmerähnliche, sondern eine arbeitgeberähnliche Person (BAG, Beschluss vom 21.1.2019 – 9 AZB 23/18).
Das Bundesarbeitsgericht hat einen in einem Arbeitsvertrag enthaltenen Vorvertrag über ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot als wirksam und nicht unverbindlich angesehen und mit dieser Begründung eine auf Zahlung von Karenzentschädigung gerichtete Klage des Arbeitnehmers auch letztinstanzlich abgewiesen (Urteil vom 19.12.2018 – 10 AZR 130/18). Entscheidend für die Wirksamkeit ist, dass das im Vorvertrag eingeräumte Recht des Arbeitgebers, vom Arbeitnehmer die Einhaltung des zunächst nur als Vorvertrag vereinbarten Wettbewerbsverbots zu verlangen, zeitlich beschränkt wird. Im konkreten Fall war vereinbart, dass der Arbeitgeber das Verlangen nur so lange stellen konnte, wie der Arbeitsvertrag noch nicht von einer Vertragspartei gekündigt wurde. Damit hat das Bundesarbeitsgericht eine Abgrenzung zu einer früheren Entscheidung vorgenommen (BAG, Urteil vom 14.7.2010 – 10 AZR 291/09).
Ein (wirksames) nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist oft das einzig wirksame Mittel, um der Verwertung von Geschäftsgeheimnissen entgegenzuwirken. Wie schwierig die Situation des Arbeitgebers ist, zeigt ein Urteil des LAG Rheinland‑Pfalz. Der Arbeitnehmer hatte eine Eigenkündigung ausgesprochen und vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses betriebliche Daten auf sein privates E‑Mail‑Konto weitergeleitet und war anschließend in Wettbewerb zu seinem früheren Arbeitgeber getreten, dessen Kunden er abgeworben hat. Konkret stellte sich die Frage, ob und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen der Altarbeitgeber Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) verlangen kann. Zwar lag in der Weiterleitung der E‑Mails auf den privaten E‑Mail Account eine schwere Pflichtverletzung und möglicherweise sogar ein strafbarer Verrat von Geschäftsgeheimnissen nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) UWG vor. Dem Arbeitgeber war es jedoch nicht möglich, die Kausalität zwischen dieser Pflichtverletzung und dem durch das Abwerben von Kunden entstandenen Schaden darzulegen. Dabei war entscheidend zu berücksichtigen, dass mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses gleichzeitig die Pflicht des Arbeitnehmers zur Wettbewerbsenthaltung endete. Der Arbeitgeber kann sich vor einer nachvertraglichen konkurrierenden Tätigkeit des Arbeitnehmers nur durch die Vereinbarung eines bezahlten und auf höchstens zwei Jahre befristeten Wettbewerbsverbots nach den §§ 74 ff. HGB schützen. Fehlt es an einer Wettbewerbsabrede, kann der Arbeitnehmer wie jeder Dritte zu seinem ehemaligen Arbeitgeber in Wettbewerb treten. Hierbei kann er sein im Arbeitsverhältnis erworbenes Erfahrungswissen einschließlich der Kenntnis von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen einsetzen und damit auch in den Kundenkreis des Arbeitgebers eindringen. Regelmäßig begründen weder eine nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht noch eine allgemeine nachvertragliche Treuepflicht für den Arbeitgeber einen Anspruch gegen den ehemaligen Arbeitnehmer auf Unterlassung von Wettbewerbshandlungen LAG Rheinland‑Pfalz, Urteil vom 24.5.2018 – 5 Sa 267/17).
Der Bundestag hat am 21.3.2019 das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (Geschäftsgeheimnisgesetz) in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung in zweiter und dritter Lesung angenommen. Der Begriff des Geschäftsgeheimnisses wird in § 2 GeschGhG legaldefiniert. Danach muss es sich um nicht allgemein bekannte oder ohne weiteres zugängliche <u>Informationen</u> mit wirtschaftlichem Wert handeln, <u>die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber sind</u> und an deren Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse besteht. Nach § 5 GeschGhG liegt kein Verstoß gegen ein Handlungsverbot zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor, wenn die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses zum Schutz eines berechtigten Interesses erfolgt. Für das Arbeitsrecht besonders relevant ist § 5 Nr. 2 GeschGhG, wonach kein Verstoß vorliegt, wenn die Erlangung, die Nutzung oder die Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses „zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung oder eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens (erfolgt), wenn die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung geeignet ist, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen.“ Durch diese Befugnis zur Offenlegung sind Unternehmen verstärkt aufgerufen, ihre Compliance‑Systeme zu überprüfen und gegebenenfalls zu optimieren.
Hans‑Peter Hoh
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Axel Groeger
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