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Neues zum Arbeitnehmerbegriff – aktuelle Beispiele aus der Rechtsprechung der LAG

Die Beantwortung der Frage, ob ein Dienstverpflichteter als Arbeitnehmer oder Selbstständiger einzuordnen ist, zieht relevante und insbesondere von Arbeitgeberseite zu berücksichtigende arbeitsrechtliche Folgen nach sich. Es wundert daher kaum, dass zu diesem in der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur viel diskutierten Thema immer wieder neue Entscheidungen ergehen – nicht zuletzt die sogenannte „Crowdworker“‑Entscheidung des BAG (Urt. v. 1.12.2020 – 9 AZR 102/20, NZA 2021, 552) hat insoweit für viel Aufsehen gesorgt.

Ende 2024 hatten sich auch einige Landesarbeitsgerichte häufiger mit der Einordnung von Dienstverhältnissen zu befassen. Im Folgendem dargestellte Entscheidungen zeigen, dass diese Einordnung nicht immer auf der Hand liegt und einer gründlichen Betrachtung der Einzelfallumstände bedarf.

I. Die Grundlagen in Kürze

Ausgangspunkt der Differenzierung zwischen einem Arbeitsverhältnis und dem freien Dienstverhältnis ist § 611a Abs. 1 BGB, der eine Legaldefinition des Arbeitsvertrags enthält und damit zusammenhängend regelt, wer Arbeitnehmer ist. Maßgebliches Kriterium ist dabei die persönliche Abhängigkeit des Verpflichteten. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Die Weisungsbindung kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen – nur wenn jede Weisungsbindung fehlt, ist in der Regel nicht von einem Arbeitsverhältnis auszugehen. Die Fremdbestimmung zeigt sich insbesondere in der Eingliederung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers. Dazu ausführlich: BAG, Urt. v. 1.12.2020 – 9 AZR 102/20, NZA 2021, 552 Rn. 29 ff.

II. Aktuelle Beispiele aus der Rechtsprechung der LAG

1. LAG Köln, Beschluss vom 13.11.2024 – 9 Ta 145/24 (Senior Partner einer Unternehmensberatung)

Die Arbeitnehmereigenschaft eines Senior Partners einer Unternehmensberatung wurde vom LAG Köln unter besonderem Augenmerk auf die vertragliche Vereinbarung der Parteien bejaht.

Der Kläger war ursprünglich auf Grundlage eines Arbeitsvertrags als Berater bei der Beklagten tätig, bevor die Parteien den Wechsel des Klägers auf die Position eines Senior Partners vereinbarten. In dieser Position beriet der Kläger weiterhin Unternehmen, war aber nicht zur organschaftlichen Vertretung der Beklagten berechtigt. Die Beklagte kündigte das „Anstellungsverhältnis“ mit dem Kläger schließlich fristlos.

Das LAG Köln bejahte die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers: Es sei nicht ersichtlich, dass die Parteien das ursprünglich begründete Arbeitsverhältnis durch den später geschlossenen Vertrag beendet und stattdessen einen freien Dienstvertrag geschlossen hätten. So spreche der Vertrag an mehreren Stellen ausdrücklich von einem Arbeitsverhältnis und verweise auf Arbeitnehmerschutzvorschriften. Da gemäß der vertraglichen Schlussbestimmungen die deutsche Fassung vorrangig sei, komme es auf die Verwendung weiter gefasster Begriffe (z. B. „employment“) in der englischen Fassung des Vertrags nicht an. Hätten die Parteien einen Wechsel vom Arbeitnehmerstatus zum freien Dienstnehmer gewollt, hätten sie dies ohne Weiteres bei der Vertragsänderung deutlich zum Ausdruck bringen können (und müssen).

Das weitgehend weisungsfreie Tätigwerden des Klägers spreche ebenfalls nicht gegen ein Arbeitsverhältnis, denn ein solches sei gerade bei Erbringung hoch qualifizierter Dienstleistungen häufig gegeben. Schließlich rechtfertige auch die spezifische Position des Klägers im Unternehmen keine andere Einordnung: Zwar gehöre der Kläger einem Personenkreis an, der prägend für das Erreichen der Unternehmensziele der Beklagten sei. Er sei jedoch nicht Teil des obersten Leitungsgremiums der Beklagten.

2. LAG Hamm, Beschluss vom 14.11.2024 – 14 Ta 252/24 (Fußballtrainer)

Das LAG Hamm hatte über die Arbeitnehmereigenschaft eines Fußballtrainers zu entscheiden, welche es mangels persönlicher Abhängigkeit des Klägers verneinte:

Der Kläger war bei dem beklagten Verein als Fußballtrainer der 1. Senioren‑​Fußballmannschaft tätig. Zwischen den Parteien bestand eine vertragliche Vereinbarung, die u. a. Regelungen zur Arbeitszeit und Vergütung des Klägers enthielt. Nach ca. sechs Monaten teilte der Beklagte dem Kläger mit, die Zusammenarbeit nicht fortsetzen zu wollen, und leistete keine Zahlungen an den Kläger mehr. Der Kläger verlangt mit der Klage u. a. Annahmeverzugslohn.

Im Einklang mit der Vorinstanz lehnte das LAG Hamm die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers ab, da sich aus der vertraglichen Vereinbarung der Parteien bereits keinerlei Vorgaben hinsichtlich Inhalts, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit ergäben. Auch die Eigenart der Tätigkeit lege keine persönliche Abhängigkeit des Klägers von dem Beklagten nahe. Die Trainertätigkeit lasse sich sowohl im Rahmen eines Arbeits- als auch eines freien Dienstverhältnisses erbringen. Insoweit genügten allein die zeitlichen Bindungen durch Trainings- und Spielzeiten sowie die örtlichen Vorgaben durch die genutzten Sportstätten des Beklagten nicht.

3. LAG Köln, Beschluss vom 29.11.2024 – 9 Ta 157/24 (Geschäftsführer einer GmbH)

Im Einklang mit der überwiegenden Rechtsprechung zu GmbH‑​Geschäftsführern steht die Entscheidung des LAG Köln v. 29.11.2024, in der es die Arbeitnehmereigenschaft verneinte:

Der Kläger war mit einem „Geschäftsführer‑​Anstellungsvertrag“ bei der Beklagten beschäftigt und wurde durch Beschluss der Gesellschafterversammlung zum Geschäftsführer bestellt. Bereits wenig später erfolgte die Abberufung und die Beklagte kündigte den Anstellungsvertrag.

Das LAG lehnte die Eröffnung des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten ab. Der Kläger sei kein Arbeitnehmer der Beklagten, denn der Vertrag sei ein auf die Ausübung des Geschäftsführeramtes gerichteter freier Dienstvertrag. Darauf weise zunächst die Bezeichnung des Vertrags als „Geschäftsführer‑​Anstellungsvertrag“ hin. Dies werde darin bestätigt, dass der Kläger nicht an eine bestimmte Arbeitszeit gebunden war, seinen Urlaub nur mit den anderen Geschäftsführern abstimmen und während des Urlaubs erreichbar sein musste. Die vorherige Tätigkeit des Klägers als Vertriebsleiter für die Beklagte lasse ebenfalls keinen anderen Schluss zu, denn auch eine solche Tätigkeit könne auf Grundlage eines freien Dienstvertrags ausgeübt werden.

4. LAG Baden‑Württemberg, Beschluss vom 10.12.2024 – 2 Ta 5/24 (Dozentin für eine Heilpraktikerschule)

Zuletzt hatte sich das LAG Baden‑Württemberg mit der Frage der Arbeitnehmereigenschaft einer Dozentin für eine private Heilpraktikerschule zu befassen. Dabei stellte es insbesondere auf die (fehlende) Vergleichbarkeit der Tätigkeit mit jener einer Lehrkraft an einer allgemeinbildenden Schule ab.

Zwischen der Klägerin und der Beklagten bestand eine vertragliche Vereinbarung unter Einbeziehung der umfangreichen Geschäftsbedingungen der Beklagten, auf deren Grundlage die Klägerin als Dozentin für die Heilpraktikerschule der Beklagten Unterrichtseinheiten leistete. Die Beklagte schreibt für ihren „Dozenten‑​Pool“ nach Ort, Zeit und Thema konkret definierte Unterrichtseinheiten in einem Onlineportal aus, worauf sich die Dozenten dort bewerben. Nach Überprüfung durch die Beklagte werden singuläre Lehraufträge für die Unterrichtseinheiten vergeben. Für die Themengebiete besteht ein „Curriculum“ mit den Leitlinien des BMG zur Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern, Lernzielen, Inhalten sowie Literaturhinweisen. Die Beklagte kündigte der Klägerin sämtliche Lehraufträge.

Zur Einordnung führt das LAG zunächst aus, dass es bei Rechtsverhältnissen mit Lehrkräften vornehmlich darauf ankomme, wie intensiv diese in den Unterrichtsbetrieb eingebunden sind, in welchem Umfang sie den Unterrichtsinhalt, die Art und Weise der Unterrichtserteilung, ihre Arbeitszeit und die sonstigen Umstände der Dienstleistung mitgestalten und inwieweit sie zu Nebenarbeiten herangezogen werden können. An allgemeinbildenden Schulen Tätige seien in der Regel Arbeitnehmer; Volkshochschuldozenten und Musikschullehrer könnten hingegen freie Mitarbeiter sein. Denn bei der stärkeren Einbindung von Schülern in ein Schul- oder Ausbildungssystem liege auch eine stärkere persönliche Abhängigkeit der Lehrkräfte vom Unterrichtsträger vor. Für den Unterricht an allgemeinbildenden Schulen gebe es enge Vorgaben zu Unterrichtszielen, Inhalt sowie Art und Weise des Unterrichts, zudem unterlägen Lehrkräfte an solchen Schulen engerer Kontrolle und Aufsicht.

Entscheidend war aus Sicht des LAG daher zunächst, dass eine Vergleichbarkeit mit der Tätigkeit an der allgemeinbildenden Schule nicht gegeben sei – anders hatte es das Arbeitsgericht in der Vorinstanz angenommen. Der Besuch der Schule der Beklagten diene zwar der Vorbereitung einer Überprüfung durch das Gesundheitsamt, sei aber keine gesetzliche Voraussetzung für die Ausübung des Berufs des Heilpraktikers. Es handle sich nicht um einen schulischen Lehrgang zur Erlangung einer Qualifikation. Gegen die Eigenschaft als Arbeitnehmerin spreche zudem, dass die Klägerin sich die Unterrichtseinheiten selbst aussuchen konnte. Mit der Erteilung eines entsprechenden Lehrauftrages nach Bewerbung wurden diese Fragen vertraglich festgelegt und dem Direktionsrecht der Beklagten entzogen. Eine persönliche Abhängigkeit der Klägerin bestand auch nicht deshalb, weil die Beklagte bestimmte Vorgaben wie z. B. zur Führung eines Klassenbuchs machte. Es sei überdies typisch, dass auch bei freier Mitarbeit eine Bindung an die zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten gegeben sei. Ferner habe die Klägerin die Stundenpläne und damit ihre Arbeits- bzw. Einsatzzeit mitbestimmen können.

Schließlich sei die Tätigkeit auch nicht mit der eines „Crowdworkers“ vergleichbar, da es sich nicht um eine vollkommen einfach gelagerte Tätigkeit ohne relevante Entscheidungsspielräume handle. Zudem seien die Lehraufträge isoliert betrachtet nicht wirtschaftlich unbedeutend und es bestehe auch kein besonderes Anreizsystem, das eine kontinuierliche Auftragsannahme im Dozentenportal provoziert.

III. Summa

Es zeigen sich bei einer Umschau über die aktuelle Instanzrechtsprechung insgesamt keine unerwarteten Ergebnisse.

Nicht überraschend ist der in der ersten dargestellten Entscheidung zum Senior Partner einer Unternehmensberatung auf die vertragliche Vereinbarung gesetzte Schwerpunkt. Wird eine Vereinbarung über freie Mitarbeit von den Parteien als Arbeitsvertrag bezeichnet, handelt es sich auch um ein Arbeitsverhältnis, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer in der tatsächlichen Vertragsdurchführung persönlich abhängig ist oder nicht (BAG, Beschl. v. 25.1.2007 – 5 AZB 49/06, NZA 2007, 580). Das LAG Köln wertete in der Entscheidung über die Arbeitnehmereigenschaft des GmbH‑​Geschäftsführers die Vertragsbezeichnung hingegen lediglich als ein Indiz, das im Zusammenspiel mit der Vertragsdurchführung für ein freies Dienstverhältnis sprach. Auch in der Entscheidung des LAG Hamm zum Fußballtrainer stand die Durchführung des Vertragsverhältnisses im Mittelpunkt. Das LAG Baden‑Württemberg setzte maßgeblich auf die fehlende Vergleichbarkeit der Dozententätigkeit mit der Lehrtätigkeit an der allgemeinbildenden Schule – ob dies unter den dargelegten Grundsätzen der persönlichen Abhängigkeit überzeugt, sei dahingestellt.

Ersichtlich ist jedenfalls, gerade dort, wo die Entscheidungen anders als in der Vorinstanz ausfallen, dass die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft stark einzelfallabhängig ist und Schwierigkeiten bereiten kann. Umso wichtiger ist es – auch mit Blick auf die Folgen einer falschen Einordnung –, mit den Grundlagen vertraut zu sein und die aktuellen Rechtsprechungslinien zu kennen. Zu beachten ist überdies, dass die arbeitsrechtliche Einordnung als Arbeitnehmer nicht zwingend mit der sozialrechtlichen Frage, ob jemand Beschäftigter i. S.d § 7 SGB IV ist, kongruent ist. Dies verdeutlicht auch die sog. Herrenberg‑​Entscheidung des BSG vom 28.6.2022 – B 12 R 3/20 R, wonach die Versicherungspflicht von Lehrkräften einer Musikschule aufgrund abhängiger Beschäftigung nicht deshalb von vornherein ausgeschlossen ist, weil die Beteiligten erkennbar eine selbstständige Tätigkeit vereinbaren wollten.

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