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BAG bestätigt Rechtsprechung zum Schicksal von Betriebsvereinbarungen nach einem Betriebsübergang

Kommt es zu einem Betriebsübergang nach § 613a BGB, stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls welche Auswirkungen der Betriebsübergang auf Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer des übergehenden Betriebes hat, die in einer (Gesamt‑) Betriebsvereinbarung geregelt sind. Das BAG hat seine diesbezügliche Rechtsprechung jüngst noch einmal bestätigt (Urt. v. 19.9.2023 – 1 AZR 281/22).

Fortgeltung bei fortbestehender Betriebsidentität

Die in einem Betrieb bestehenden Betriebsvereinbarungen gelten auch nach einem Betriebsübergang weiterhin unmittelbar und zwingend i. S. v. § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG, wenn bei dem Übergang die Identität des Betriebs gewahrt wurde. Bestand bei dem Betriebsveräußerer eine Gesamtbetriebsvereinbarung und geht nur ein Betrieb auf einen Betriebserwerber, der bis dahin betriebslos ist, über, gilt sie als Einzelbetriebsvereinbarung fort. Auch wenn ein Betrieb unter Wahrung seiner Identität von einem Unternehmen, das bereits mehrere Betriebe hat, übernommen wird und die in der Gesamtbetriebsvereinbarung geregelten Rechte und Pflichten beim aufnehmenden Unternehmen nicht normativ ausgestaltet sind, gilt die Gesamtbetriebsvereinbarung als Einzelbetriebsvereinbarung weiter.

Der Betriebserwerber hat in diesen Fällen grundsätzlich die Möglichkeit, die Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs. 5 BetrVG zu kündigen. Unterliegen die in der Betriebsvereinbarung geregelten Angelegenheiten allerdings der erzwingbaren Mitbestimmung, wirken ihre Bestimmungen nach § 77 Abs. 6 BetrVG nach. Handelt es sich hingegen um eine Betriebsvereinbarung über finanzielle Leistungen des Arbeitgebers, die ohne eine vertragliche oder sonstige rechtliche Verpflichtung erbracht werden, und will der Betriebserwerber diese Leistungen vollständig und ersatzlos einstellen, tritt von Gesetzes wegen keine Nachwirkung ein. Da der Arbeitgeber bei solchen teilmitbestimmten Betriebsvereinbarungen den Dotierungsrahmen mitbestimmungsfrei vorgeben kann, kann er auch über die Einstellung dieser Leistungen einseitig entscheiden. Nur für die Ausgestaltung, also für den Verteilungs- und Leistungsplan, benötigt er nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG die Zustimmung des Betriebsrats.

Allerdings können die Betriebsparteien die Nachwirkung auch einer teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung vereinbaren und damit die gleiche Rechtslage schaffen, die im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung ausdrücklich vorgesehen ist. Eine derartige Vereinbarung ist regelmäßig dahingehend auszulegen, dass ihr eine Konfliktlösungsmöglichkeit innewohnt, die der gesetzlichen im Fall der erzwingbaren Mitbestimmung entspricht. Scheitern die Verhandlungen der Betriebsparteien über eine einvernehmliche Neuregelung, kann deshalb jeder von ihnen die Einigungsstelle anrufen, die dann verbindlich entscheiden kann.

Transformation bei Verlust der Betriebsidentität

Bleibt die Betriebsidentität bei einem Betriebsübergang nicht erhalten, werden die Inhaltsnormen einer Betriebsvereinbarung nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in die Arbeitsverhältnisse der übergehenden Arbeitnehmer transformiert. Dadurch werden die transformierten Normen jedoch nicht Bestandteil der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zwischen dem vom Betriebsübergang erfassten Arbeitnehmer und dem Betriebserwerber, sondern ihr kollektivrechtlicher Charakter bleibt erhalten. Die fortwirkenden Inhaltsnormen der Betriebsvereinbarung werden daher mit dem Vorbehalt ihrer nachfolgenden Abänderbarkeit mit kollektivrechtlichen Mitteln transformiert. Dies hat zur Folge, dass der Betriebserwerber die transformierten Normen gegenüber dem zuständigen Gremium der Arbeitnehmervertretung kündigen kann.

Allerdings gelten die gekündigten Normen wegen ihres kollektivrechtlichen Charakters so weiter, wie sie im Fall eines normativen Fortbestands im Erwerberbetrieb gegolten hätten. Dies gebieten Sinn und Zweck von § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Norm soll den Bestand der kollektivrechtlichen Regelungen bei einem Betriebsübergang schützen und verhindern, dass sich die vor dem Betriebsübergang bestehende kollektivrechtliche Rechtsposition der Arbeitnehmer durch den Betriebsübergang verschlechtert. Haben die Betriebsparteien daher für teilmitbestimmte Regelungen einer Betriebsvereinbarung deren Nachwirkung vereinbart, kommt diese – einschließlich der damit verbundenen kollektivrechtlichen Möglichkeit ihrer Beendigung – auch im Fall einer Transformation der betreffenden Inhaltsnormen nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB zum Tragen.

Veränderungssperre nach § 613a Abs. 1 S. 3 BGB

Die einjährige Veränderungssperre des § 613a Abs. 1 S. 3 BGB bezieht sich nur auf nach Abs. 1 S. 2 aufrechterhaltene Regelungen aus Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen. Individualrechtliche Vereinbarungen, die nach Abs. 1 S. 1 fortgelten, dürfen auch während des ersten Jahres nach dem Inhaberwechsel zum Nachteil der Arbeitnehmer geändert werden, wenn die individualrechtlichen Voraussetzung dafür vorliegen (wirksame Änderungsvereinbarung oder Änderungskündigung). Durch verschlechternde Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag können die gem. Abs. 1 S. 2 aufrechterhaltenen Regelungen auch während der Jahresfrist zum Nachteil der Arbeitnehmer geändert werden. Umstritten und durch das BAG bislang nicht geklärt ist die Frage, ob Änderungsvereinbarungen, die während der Jahresfrist in Bezug auf nach Abs. 1 S. 2 aufrechterhaltene Regelungen aus Betriebsvereinbarungen geschlossen werden, zulässig sind. Das hängt davon ab, ob die Vorschrift eine zeitlich befristete Bestandsschutzgarantie oder ein Kontrahierungsverbot beinhaltet (Zum Streitstand: HWK/Müller‑​Bonanni, § 613a Rn. 267; MüKoBGB/Müller‑​Glöge, § 613a Rn. 136; NK‑​GA/​Breinlinger, § 613a Rn. 102; ErfK/​Preis, § 613a Rn. 119; BeckOK ArbR/​Gussen, § 613a Rn. 247).

Update: Vertrauensarbeitszeit und Arbeitszeiterfassung

Das BAG hat im Jahr 2022 in einem vielbeachteten Beschluss entschieden, dass Arbeitgeber zur umfassenden Erfassung der Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer verpflichtet sind. Bis zu dieser Entscheidung wurde noch ganz überwiegend angenommen, dass keine derartige allgemeine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bestehe, sondern nur in den ausdrücklich im Gesetz normierten Fällen, insbesondere nach § 16 II Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Im Anschluss an die Entscheidung wurde vom BMAS im März 2023 ein Referentenentwurf vorgelegt, durch den das ArbZG geändert und die vom BAG vorgegebene Verpflichtung zur umfassenden Arbeitszeiterfassung ins Gesetz aufgenommen werden sollte; über diesen Entwurf hinaus sind jedoch keine weiteren Entwicklungen im Gesetzgebungsverfahren bekannt.
Vor diesem Hintergrund stellt sich für Arbeitgeber, bei denen für Arbeitnehmer Vertrauensarbeitszeit gilt, die Frage, ob eine Vertrauensarbeitszeit überhaupt noch mit den Vorgaben zur Arbeitszeiterfassung vereinbar ist. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick zur aktuellen Rechtslage.

Grundsatz: Unterscheidung zwischen der Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinne und den Vorgaben zur Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG)

Bei Vertrauensarbeitszeit verzichtet der Arbeitgeber darauf, zu kontrollieren, ob die Arbeitnehmer ihre geschuldete Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinne leisten. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber beispielsweise die vereinbarte Vergütung auch dann zahlt, wenn der Arbeitnehmer in einem Monat jeweils nur 35 anstatt 40 Stunden pro Woche gearbeitet hat.
Hiervon zu unterscheiden sind die arbeitszeitrechtlichen Vorgaben gemäß dem ArbZG, insbesondere die Vorgaben zu den täglichen Höchstarbeitszeiten und Ruhepausen und Ruhezeiten. Diese zwingenden Regelungen des ArbZG dienen dem Arbeitnehmerschutz und können von Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht abweichend geregelt werden. Die Vorgaben des ArbZG gelten daher auch bei Vertrauensarbeitszeit.
Vor diesem Hintergrund ergibt sich zwar nicht aus vergütungsrechtlichen Gesichtspunkten eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung, da die Frage der Vergütung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer frei vereinbart werden kann. Eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ergibt sich aber im Hinblick auf die arbeitnehmerschützenden Vorgaben, da diese nicht disponibel sind und die Arbeitszeiterfassung daher dazu dient, dass die Einhaltung des ArbZG dokumentiert wird und kontrolliert werden kann.

Allgemeine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung durch BAG‑​Entscheidung

Die allgemeine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung, die das BAG in der Entscheidung vom 13.9.2022 (1 ABR 22/21) aus § 3 II Nr. 1 ArbSchG hergeleitet hat, gilt generell für alle Arbeitszeiten aller Arbeitnehmer. Es greift nach dieser Entscheidung keine Ausnahme für Arbeitnehmer, mit denen Vertrauensarbeitszeit vereinbart wurde (vgl. dazu etwa Vogelsang in: Schaub, Arbeitsrechts‑​Handbuch, § 160 Rn. 35). Die allgemeine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nach § 3 II Nr. 1 ArbSchG gilt somit auch bei vereinbarter Vertrauensarbeitszeit.
Offen ist nach der Entscheidung nur, ob die Pflicht auch leitende Angestellte betrifft oder (nur) diese Mitarbeitergruppe – wie dies auch im Rahmen des ArbZG der Fall ist – ausgenommen ist.

Spezielle Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nach § 16 II ArbZG

Gemäß § 16 II ArbZG besteht (auch bereits vor der Entscheidung des BAG) die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung in den Fällen, in denen Mitarbeiter die werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden überschreiten. Diese Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gemäß § 16 II ArbZG besteht auch bei Vertrauensarbeitszeit (siehe etwa Benkert, NJW‑​Spezial 2023, 50, 51). Ausgenommen sind nur leitende Angestellte, § 18 I Nr. 1 ArbZG. Verstöße gegen diese Pflicht zur Arbeitszeiterfassung sind eine Ordnungswidrigkeit und bußgeldbewehrt, § 22 I Nr. 9 ArbZG.
Weitere ausdrücklich gesetzlich geregelte Verpflichtungen zur Arbeitszeiterfassung gelten beispielsweise gemäß § 17 I 1 MiLoG für geringfügig Beschäftigte und Beschäftigte in den in § 2a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes genannten Wirtschaftsbereichen oder Wirtschaftszweigen.

Dokumentation der Arbeitszeit zu Kontrollzwecken des Betriebsrats

Hinweis: Das BAG hatte bereits 2003 entschieden, dass der Betriebsrat zur Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe nach § 80 I Nr. 1 BetrVG einen Auskunftsanspruch hinsichtlich Beginn und Ende der täglichen und Umfang der tatsächlich geleisteten wöchentlichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer hat, um die Einhaltung der Vorgaben des ArbZG kontrollieren zu können (BAG vom 6. 5. 2003 – 1 ABR 13/02). Dies nahm das BAG ausdrücklich für den Fall der Vertrauensarbeitszeit an. Somit ergab sich de facto schon aus dieser Entscheidung – jedenfalls in Betrieben mit Betriebsrat – eine Pflicht zur Dokumentation der Arbeitszeiten, um diese dem Betriebsrat zur Kontrolle zur Verfügung stellen zu können, und zwar auch bei Vertrauensarbeitszeit (was in der Praxis nur häufig nicht beachtet wurde).

Gesetzesentwurf vom 27.3.2023

Auch der bislang vorliegende Referentenentwurf des BMAS vom 27.3.2023 sieht vor, dass die Pflicht zur Zeiterfassung auch bei Vertrauensarbeitszeit bestehen soll. § 16 IV des Entwurfs lautet: „Wenn die Aufzeichnung nach Absatz 2 Satz 1 durch den Arbeitnehmer erfolgt und der Arbeitgeber auf die Kontrolle der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verzichtet, hat er durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass ihm Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen zu Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden.“
Nach dem Entwurf soll also auch bei Vertrauensarbeitszeit eine Aufzeichnung (durch den Arbeitnehmer) verpflichtend sein. Der Arbeitgeber muss dann sicherstellen, dass ihm Verstöße gegen das ArbZG bekannt werden.
Allerdings sind seit dem 27.3.2023 keine weiteren Entwicklungen im Gesetzgebungsverfahren bekannt, so dass offen ist, wann/​in welcher Form es eine Gesetzesänderung geben wird.

Erlass des MAGS NRW vom 19.4.2023

Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein‑​Westfalen (MAGS NRW) hat den Bezirksregierungen Arnsberg, Düsseldorf, Köln und Münster in Form eines Erlasses vom 19.4.2023 Vorgaben zur Durchführung des ArbZG gemacht. Der Erlass liegt uns bislang nicht vor, nach Literaturstellen (z. B. Kleinebrink/​Schomburg, ARP 2023, 214) soll der Erlass gelten, bis eine gesetzliche Änderung des ArbZG in Kraft tritt, und im Wesentlichen folgende Inhalte haben:

‑ In der Kontrollpraxis sind Betriebe bei Betriebsbesichtigungen darauf hinzuweisen, dass der Arbeitgeber ein System zur vollständigen Arbeitszeiterfassung vorhalten muss, das auch tatsächlich anzuwenden ist.

‑ Bei einer fehlenden Arbeitszeitaufzeichnung kann diese nach § 22 Abs. 2 ArbSchG angeordnet werden. Eine unmittelbare Ahndung einer fehlenden Arbeitszeitaufzeichnung ohne vorherige Anordnung kann nach derzeitiger Rechtslage nicht erfolgen.

‑ Sollten bei der Überwachung Verstöße gegen die Entscheidung des BAG zur Aufzeichnungspflicht festgestellt werden, ist – unter Anwendung des Ermessenspielraums – der Arbeitgeber auf die verbindliche Dokumentationspflicht hinzuweisen oder die Dokumentationspflicht entsprechend anzuordnen. Bei Missachtung der Anordnung ist dann auch eine Ahndung der Verstöße vorzunehmen.

‑ Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Aufzeichnungspflicht bleibt die angekündigte Änderung des ArbZG abzuwarten. Das BAG hat keine Formvorgaben aufgestellt; d. h. bis auf Weiteres genügt für die Aufzeichnung der Arbeitszeiten neben anderen Formen („Stechuhr”, digitale Erfassung, App) zur Erfassung auch die (hand‑)schriftliche Form.

‑ Auch ein betriebliches Arbeitszeitmodell, das Arbeitnehmern weitgehende Gestaltungsfreiheit bei der Verteilung ihrer Arbeitszeit gibt und auf eine ständige Kontrolle der Einhaltung der Vertragsarbeitszeiten bewusst verzichtet (Vertrauensarbeitszeit), ist weiterhin zulässig, solange die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten vollständig erfasst und die arbeitszeitgesetzlichen Grenzen eingehalten werden. Die Verantwortung für den Arbeitsschutz bleibt auch bei Vertrauensarbeitszeitmodellen beim Arbeitgeber, der <u>bei Anhaltspunkten für Verstöße gegen das ArbZG wirksame Gegenmaßnahmen ergreifen muss</u>.

‑ Bis zu einer Änderung des ArbZG wird davon ausgegangen, dass die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nicht für die in § 18 ArbZG genannten Personen, z. B. Leitende Angestellte, gilt.

Ergebnis / Handlungsempfehlung

Vor diesem Hintergrund wird eine Vertrauensarbeitszeit durch die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung auf der einen Seite zwar nicht ausgeschlossen, sondern ist weiterhin zulässig. Auf der anderen Seite gilt die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung aber auch bei vereinbarter Vertrauensarbeitszeit. Dies gilt sowohl für die „allgemeine“ Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nach § 3 II Nr. 1 ArbG als auch für die „spezielle“ Pflicht zur Zeiterfassung nach § 16 II ArbZG.

Arbeitgeber können die Arbeitszeiterfassung zwar auf die Mitarbeiter delegieren. Den Arbeitgeber trifft dann aber immer noch die Verantwortung, dass die Vorgaben des ArbZG eingehalten werden und es nicht zu Verstößen gegen das ArbZG kommt. Nicht abschließend geklärt ist, welche Organisations- und Kontrollpflichten den Arbeitgeber treffen, um dieser „Letztverantwortung“ gerecht zu werden. Aus unserer Sicht spricht viel dafür, dass folgende Maßnahmen des Arbeitgebers ausreichen sollten (aber offen, ob dies von der Behörde / Gericht ebenfalls für ausreichend erachtet werden würde):

Organisationspflicht: Information / Schulung der Mitarbeiter

‑ Die Mitarbeiter sollten erstens informiert / geschult werden, dass und wie sie ihre Arbeitszeiten ordnungsgemäß im entsprechenden Erfassungssystem zu erfassen haben. Zweitens sind die Mitarbeiter zu informieren / schulen, welche Vorgaben sie nach dem ArbZG einzuhalten haben – und dass diese Vorgaben auch im Rahmen der Vertrauensarbeitszeit gelten. Die entsprechenden Informationen bzw. Schulungen und die Kenntnisnahme bzw. Teilnahme der einzelnen Mitarbeiter sollten aus Beweisgründen dokumentiert werden.

Kontrollpflicht: Ungeklärt ist, welche Kontrollpflichten den Arbeitgeber treffen

‑ Unseres Erachtens dürfte – wie es auch im Gesetzesentwurf vorgesehen ist – eine Möglichkeit sein, dass ein Erfassungssystem genutzt wird, das automatisch Verstöße gegen das ArbZG (an HR oder den Vorgesetzten) meldet. Wenn also beispielsweise eine Arbeitszeit von 10,5 Stunden erfasst wird, müsste eine automatische Meldung an die entsprechende Stelle erfolgen und diese müsste den Verstoß mit dem Mitarbeiter klären und nochmals anweisen, sich künftig an die Vorgaben des ArbZG zu halten. Bei einem solchen System dürfte dann aber eine weitergehende (stichprobenartige) Kontrolle der Aufzeichnungen entbehrlich sein, da letztlich eine (umfassende) Kontrolle durch das System erfolgt.

‑ Sofern ein solches System nicht verfügbar oder technisch umsetzbar ist, bleibt nur eine Kontrolle der erfolgten Arbeitszeiterfassungen durch den Arbeitgeber. Unseres Erachtens spricht viel dafür, dass der Arbeitgeber (bzw. der Vorgesetzte oder HR) nicht verpflichtet ist, sämtliche Zeiterfassungen aller Mitarbeiter zu kontrollieren. Vielmehr dürften unseres Erachtens stichprobenartige Kontrolle ausreichend sein (so z. B. auch Benkert, NJW‑​Spezial 2023, 50, 51). Sofern im Rahmen der stichprobenartigen Kontrollen dann Verstöße gegen das ArbZG bekannt werden, sind die Fälle aufzuklären und die entsprechenden Mitarbeiter nochmals anzuweisen, sich künftig an die Vorgaben des ArbZG zu halten. Sollten im Rahmen dieser Kontrollen mehrere / viele Verstöße bekannt werden, wäre ggf. auch eine „Nachschulung“ oder nochmalige Anweisung an alle Mitarbeiter erforderlich.

Andreas Wirtz

Dr Andreas Wirtz
associate partner

attorney
(wirtz@redeker.de)

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