Der Bundestag hat am 23.6.2022 weitreichende Änderungen des Nachweisgesetzes (NachwG) verabschiedet, die zum 1.8.2022 in Kraft treten werden. Das Gesetz wird demnächst im Bundesgesetzblatt verkündet. Neu ist insbesondere, dass eine nicht rechtzeitige oder unzureichende Erfüllung der erweiterten Dokumentationspflichten durch Arbeitgeber eine Ordnungswidrigkeit darstellt, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann. Nachfolgend möchten wir Sie über die Neufassung und die sich hieraus ergebenden To‑Dos informieren.
Bereits nach der bisherigen Rechtslage ist der Arbeitgeber verpflichtet, Arbeitnehmer:innen nach Vertragsschluss die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich zu dokumentieren und einen entsprechenden Nachweis auszuhändigen. Im Regelfall ergaben sich diese Informationen jedoch aus dem (schriftlichen) Arbeitsvertrag.
Bislang waren Arbeitnehmer:innen, die nur vorübergehend, maximal für einen Monat, als Aushilfe eingestellt wurden, vom Anwendungsbereich des NachwG ausgenommen. Diese Ausnahme entfällt ab 1.8.2022, sodass auch bei ganz kurzzeitig Beschäftigten eine Dokumentationspflicht und die Verpflichtung zur Aushändigung der schriftlichen Dokumentation besteht. Ferner werden die bislang gegenüber Auszubildenden nach § 11 BBiG bestehenden Nachweispflichten verschärft und den Vorgaben des NachwG angeglichen.
Es war und ist weiter unverständlich, dass § 2 Abs. 1 NachwG für die Erfüllung der Nachweispflicht zwingend die gesetzliche Schriftform (§ 126 Abs. 1 BGB) vorgibt. Digitalisierungsbestrebungen in Bezug auf HR‑Prozesse steht das NachwG offenbar ablehnend gegenüber. Denn Dienste, wie z. B. DocuSign, bieten die Möglichkeit der qualifizierten elektronischen Form (§ 126a BGB), erfüllen jedoch nicht die gesetzliche Schriftform, die nach § 126 Abs. 1 BGB voraussetzt, dass der Aussteller, also der Arbeitgeber, eigenhändig (d. h. physisch) auf der Urkunde unterschreibt. Die der Gesetzesänderung zugrundeliegende EU‑Richtlinie 2019/1152 („Arbeitsbedingungenrichtlinie“) sieht keine Schriftform vor und der deutsche Gesetzgeber hat damit EU‑Recht (einmal mehr) „überschießend“ umgesetzt. Der grundsätzlich gewünschten Vereinheitlichung der Rahmenbedingungen im „Europäischen Rechtsraum“ läuft dies zuwider.
Ab 1.8.2022 werden zudem die in § 2 NachwG enthaltenen Nachweispflichten auch gegenständlich erweitert:
Denn anders als bislang bleibt die Nichtbeachtung der Vorgaben des NachwG zukünftig auch nicht sanktionslos. Verstöße können mit einem Bußgeld von bis zu EUR 2.000,00 je Fall geahndet werden (§ 4 Abs. 2 NachwG n. F.).
Das neue NachwG verlangt für Neueinstellungen ab dem 1.8.2022, dass Arbeitnehmer:innen grundsätzlich (also bezogen auf die Inhalte nach § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 7 und 8 NachwG n. F.) bereits am ersten Tag der Arbeitsleistung eine Niederschrift mit den Angaben nach § 2 NachwG ausgehändigt werden; wobei hier, wenn auch unpraktikabel, zeitlich gestaffelt informiert werden darf. So sieht § 2 Abs. 1 S. 3 NachwG n. F. vor, dass hinsichtlich der Nrn. 2 bis 6, 9 und 10 des § 2 Abs. 1 S. 2 NachwG n. F. bis spätestens am siebten Kalendertag nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses der Nachweis erbracht werden darf und die Niederschrift mit den übrigen Angaben nach Satz 2 spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses erfolgen muss.
Was aber gilt bezogen auf bereits bestehende Arbeitsverhältnisse, die vor dem 1.8.2022 begonnen haben?
Gegenüber diesen Arbeitnehmer:innen ist der Arbeitgeber zunächst nicht verpflichtet, proaktiv eine Niederschrift über die Arbeitsbedingungen nach Maßgabe von § 2 NachwG n. F. auszuhändigen. Sofern er die bislang schon bestehenden Nachweispflichten durch den schriftlichen Arbeitsvertrag bereits erfüllt hat, muss er somit nicht tätig werden.
Wenn jedoch diese Arbeitnehmer:innen, die bereits vor dem 1.8.2022 „an Bord“ waren, einen schriftlichen Nachweis nach Maßgabe des neu gefassten NachwG verlangen, hat der Arbeitgeber nach § 5 S. 1 NachwG n. F. die Niederschrift mit den Angaben nach § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 10 NachwG n. F. spätestens am siebten Tag nach der Aufforderung dem/r Arbeitnehmer/in auszuhändigen. Die Niederschrift mit den übrigen Angaben nach § 2 Abs. 1 S. 2 n. F. NachwG muss dann bis spätestens einen Monat nach Zugang der Aufforderung erfolgen.
Erfüllt der Arbeitgeber diese gesetzlichen Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig, so kann gegen ihn ein Bußgeld von bis zu EUR 2.000,00 je Fall verhängt werden. Somit sollten sich Arbeitgeber entweder bereits jetzt frühzeitig auf arbeitnehmerseitige Aufforderungen einstellen und entsprechende organisatorische Vorkehrungen treffen, oder unabhängig von Aufforderungen proaktiv Nachweise erstellen und aushändigen.
Da die Nachweispflichten nach dem neuen NachwG jetzt auch Themen erfassen, die entweder nichts mit den typischerweise vertraglich vereinbarten Konditionen zu tun haben und rein deskriptiver bzw. informatorischer Natur sind oder die der Arbeitgeber flexibel halten kann und will (Schichtsysteme und deren Änderung), ist die bisher bestehende Möglichkeit, den Vorgaben des NachwG dadurch zu entsprechen, dass die Inhalte vollständig in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden, nicht länger anzuraten.
Würden die umfangreicheren Inhalte, über die nach § 2 Abs. 1 NachwG n. F. schriftlich zu unterrichten ist, gänzlich in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden, so bestünde das Risiko, dass diese auf Dauer rechtsverbindlich gelten und sich nicht mehr einseitig ändern ließen. Allgemeine rechtliche Vorgaben, wie bspw. die bei einer Kündigungsschutzklage einzuhaltende Frist nach § 4 KSchG, haben daher in einem Arbeitsvertrag „nichts verloren“. Die Rechtslage kann sich schließlich ändern und der Arbeitgeber wird sich diesbezüglich nicht dauerhaft binden wollen.
Von daher ist es Arbeitgebern anzuraten, neben dem Arbeitsvertrag ein gesondertes Nachweisschreiben mit allen nach § 2 Abs. 1 NachwG n. F. mitzuteilenden Inhalten zu erstellen und dieses den Arbeitnehmer:innen nachweisbar (also gegen Empfangsquittung auf einem zur Personalakte zu nehmenden Doppel) auszuhändigen.
Um den gesetzlichen Anforderungen zukünftig zu entsprechen, sollte – vorbereitend auf den 1.8.2022, wenn das geänderte NachwG in Kraft tritt – ein Muster‑Nachweisschreiben bereits jetzt erstellt werden. Dieses muss dann nur noch auf das jeweilige Arbeitsverhältnis individualisiert werden und kann bei Neueinstellungen oder aber auf Verlangen bisheriger Arbeitnehmer:innen nach § 5 S. 1 NachwG n. F. dann verwendet werden.
Unabhängig von der Erstellung eines Muster‑Nachweisschreibens, das obligatorisch sein wird, sollten Arbeitgeber die Änderung des NachwG zum Anlass nehmen, auch ihre Muster‑Arbeitsverträge auf Anpassungserfordernisse zu überprüfen. Denn für fast kein anderes Rechtsgebiet gilt die Heraklit von Ephesus (535‑475 v. Chr.) zugeschriebene Weisheit, wonach nichts beständiger als der Wandel ist, mehr als für das Arbeitsrecht.
Ihren Muster‑Arbeitsvertrag prüfen wir gerne auf Anpassungsbedarf und unterstützen Sie selbstverständlich auch bei der Erstellung eines entsprechenden Nachweisschreibens, das Sie ab dem 1.8.2022 bei Neueinstellungen nutzen sollten.
Axel Groeger
partner
attorney
(groeger@redeker.de)
Ira Gallasch
senior associate
attorney
(gallasch@redeker.de)
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