Bislang konnten Arbeitnehmer gem. § 8 TzBfG verlangen, dass ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit unbefristet verringert wird, sofern
Seit dem 1.1.2019 besteht nach näherer Maßgabe von § 9a TzBfG ein gesetzlicher Anspruch auf zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit (sog. „Brückenteilzeit“) von mindestens einem und höchstens 5 Jahren, wenn der Arbeitgeber in der Regel mehr als 45 Arbeitnehmer beschäftigt.
Der Anspruch aus § 9a TzBfG steht neben anderen Ansprüchen auf befristete Reduzierung der Arbeitszeit (z. B. § 15 VII BEEG, § 3 FPfZG und § 2a PflegeZG) in ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen weichen diese Ansprüche jedoch deutlich voneinander ab. Daher soll an sich der Arbeitnehmer grundsätzlich festlegen, welche Teilzeit er beantragen möchte, gegebenenfalls ist sein Antrag auszulegen. Je nach den Umständen des Einzelfalls soll der Arbeitgeber verpflichtet sein, auf eine Klarstellung des Arbeitnehmers hinzuwirken.
Wie beim Anspruch aus § 8 TzBfG hat auch bei der Brückenteilzeit der Arbeitgeber der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen und ihre Verteilung entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festzulegen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit
Die Ablehnungsgründe können durch Tarifvertrag festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen über die Ablehnungsgründe vereinbaren.
Die Entscheidung über die Verringerung der Arbeitszeit und ihre Verteilung hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gem. § 8 V TzBfG spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Verringerung schriftlich mitzuteilen. Haben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht über die Verringerung der Arbeitszeit geeinigt und hat der Arbeitgeber die Arbeitszeitverringerung nicht spätestens einen Monat vor deren gewünschtem Beginn schriftlich abgelehnt, verringert sich die Arbeitszeit in dem vom Arbeitnehmer gewünschten Umfang.
§ 9a II 2 TzBfG enthält eine Quotenregelung, nach der in Unternehmen von 46 bis 200 Arbeitnehmern nur einem pro angefangene 15 Arbeitnehmer der Anspruch auf Brückenteilzeit gewährt werden muss. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen des Zumutbarkeitskriteriums ist der Zeitpunkt des begehrten Beginns der verringerten Arbeitszeit, der Arbeitgeber muss also eine Prognoseentscheidung treffen.
Nach den meisten Tarifverträgen fällt bei Überstunden erst ab Überschreiten der regelmäßigen tarifvertraglichen Arbeitszeit ein prozentualer Zuschlag zur regulären Vergütung an. Teilzeitbeschäftigten wird daher bis zum Erreichen der regelmäßigen tarifvertraglichen Arbeitszeit nur die Normalvergütung (ohne Überstundenzuschlag) gezahlt. Ob daran weiter festgehalten werden kann, ist fraglich.
Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 15.12.1994 – Rs. C‑399/92) liegt eine Ungleichbehandlung immer dann vor, wenn bei gleicher Anzahl von Stunden, die aufgrund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden, die Vollzeitbeschäftigten gezahlte Gesamtvergütung höher ist als die Teilzeitbeschäftigten gezahlte. Dieser Rechtsprechung hatte sich das BAG angeschlossen (Urt. v. 20.6.1995 – 3 AZR 539/93 und 25.7.1996 – 6 AZR 138/94). In den genannten Fällen wurde darum gestritten, ob teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer Überstundenzuschläge bereits bei Überschreiten ihrer individuellen Arbeitszeit beanspruchen konnten, obwohl die einschlägigen Tarifverträge die Zahlung von Überstundenzuschlägen erst bei Überschreiten der für Vollzeitbeschäftigte festgelegten Regelarbeitszeit vorsahen. Das BAG hatte die darauf gerichteten Klagen abgewiesen, und zwar im Wesentlichen mit der Begründung, es gäbe für die unterschiedliche Behandlung sachliche Gründe (So noch BAG, Urt. v. 26.4.2017 – 10 AZR 589/15).
Der EuGH hat jedoch 2004 entschieden, dass eine echte Transparenz, die eine wirksame Kontrolle erlaubt, nur dann gewährleistet ist, wenn der Grundsatz der Gleichbehandlung für jeden einzelnen Bestandteil des dem Arbeitnehmer gezahlten Entgelts gilt und nicht nur im Wege einer Gesamtbewertung der ihnen gewährten Vergütungen angewandt wird, so dass die Entgelte für die Regelarbeitszeit und die Mehrarbeitsvergütungen gesondert zu vergleichen sind (EuGH, Urt. v. 27.5.2004 – C‑285/02). Daran anschließend hat der 6. Senat des BAG für sog. ungeplante Überstunden iSv. § 7 Abs. 8 Buchst. c des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) zunächst obiter dictum erwähnt, dass Überstunden bereits dann entstehen dürften, wenn zu den in einem Schichtplan festgesetzten „täglichen“ Arbeitsstunden zusätzliche, nicht im Schichtplan ausgewiesene Stunden angeordnet würden (BAG, Urt. v. 26.4.2013 – 6 AZR 800/11). Nunmehr sieht der 6. Senat aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 27.5.2004 ein erweitertes Prüfprogramm: Die Belastungsgrenzen für Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte scheinen zwar identisch festgelegt zu sein. Die formale Gleichbehandlung mit Blick auf die Gesamtvergütung führe aber zu einer Ungleichbehandlung. Bei enger Auslegung von § 7 Abs. 7 und 8 TVöD erhielte ein Vollzeitbeschäftigter bereits für die erste Stunde, die über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinausgeht, einen Überstundenzuschlag. Ein Teilzeitbeschäftigter müsste dagegen über seine Teilzeitquote hinaus erst die gesamte Differenz zur Vollarbeitszeit arbeiten, um für die dann nächste Stunde einen Überstundenzuschlag zu erlangen. Damit ginge eine höhere Belastungsgrenze von Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten einher. Darin läge eine unmittelbare Benachteiligung Teilzeitbeschäftigter (BAG, Urt. v. 23.3.2017 – 6 AZR 161/16). Jüngst hat sich der 10. Senat des BAG – unter ausdrücklicher Aufgabe seiner gegenteiligen Ansicht im Urteil v. 26.4.2017 – dieser Ansicht des 6. Senats angeschlossen und entschieden, dass Teilzeitbeschäftigte benachteiligt würden, wenn die Zahl der Arbeitsstunden, von der an ein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung entsteht, nicht proportional zu ihrer vereinbarten Arbeitszeit vermindert würde (BAG, Urt. v. 19.12.2018 – 10 AZR 231/18, Pressemittelung Nr. 70/10).
Ob Reisezeiten von Arbeitnehmern zu vergüten sind, lässt sich nicht generell beantworten. Das BAG hat in einer neueren Entscheidung die Grundsätze nochmals bestätigt. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Grundsätzlich erbringt der Arbeitnehmer mit dem – eigennützigen – Zurücklegen des Weges von der Wohnung zur Arbeitsstelle und zurück keine Arbeit für den Arbeitgeber. Anders ist dies jedoch, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit außerhalb des Betriebs zu erbringen hat, dann gehört das Fahren zur auswärtigen Arbeitsstelle zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten, weil das wirtschaftliche Ziel der Gesamttätigkeit darauf gerichtet ist, verschiedene Kunden aufzusuchen. Nicht nur die Fahrten zwischen den Kunden, sondern auch die zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück bilden dann mit der übrigen Tätigkeit eine Einheit und sind insgesamt die Arbeitsleistung im Sinne des § 611a BGB. Das ist unabhängig davon, ob Fahrtantritt und ‑ende vom Betrieb des Arbeitgebers oder von der Wohnung des Arbeitnehmers aus erfolgen (BAG, Urt. v. 25.4.2018 – 5 AZR 424/17). Auch wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorübergehend für mehrere Monate zur Arbeit in einen im Ausland gelegenen Betrieb oder auf eine ausländische Baustelle entsendet, sind die für die Hin- und Rückreise erforderlichen Zeiten fremdnützig und jedenfalls dann Arbeit im vergütungsrechtlichen Sinn, wenn sie ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers erfolgen und in untrennbarem Zusammenhang mit der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung stehen (BAG, Urt. v. 17.10.2018 – 5 AZR 553/17).
Dass es sich um Arbeit im vergütungsrechtlichen Sinn handelt, bedeutet jedoch nicht zwingend, dass die Zeiten zu vergüten sind. Durch Arbeits- oder Tarifvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Reisezeiten getroffen werden (für Umkleidezeiten siehe BAG, Urt. v. 25.4.2018 – 5 AZR 245/17). Für Reisezeiten kann eine Vergütung auch ganz ausgeschlossen werden, sofern dadurch der Anspruch auf Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 MiLoG nicht unterschritten wird.
Für die Vergütungspflicht von Reisezeiten ist deren arbeitszeitrechtliche Einordnung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG unerheblich.
Axel Groeger
partner
attorney
(groeger@redeker.de)
This newsletter does not constitute individual legal advice and is intended solely to provide information on selected topics. If you have any questions regarding the newsletter, please contact a named contact person.