Newsletter Corona/​COVID‑19

Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz

Welche Maßnahmen staatliche Stellen im Umgang mit Gefahren durch übertragbare Krankheiten wie dem Corona Virus beim Menschen ergreifen müssen bzw. dürfen, regelt vornehmlich das Infektionsschutzgesetz (IfSG). Eine übertragbare Krankheit ist gemäß § 2 Nr. 3 IfSG eine durch Krankheitserreger oder deren toxische Produkte, die unmittelbar oder mittelbar auf den Menschen übertragen werden, verursachte Krankheit. Viren können derartige Krankheiterreger sein.

Dem IfSG liegt ein dreistufiges Schutzkonzept zugrunde. Die erste Stufe bilden ständige Überwachungsmaßnahmen, die vor allem durch Meldepflichten realisiert werden (§§ 6 ff. IfSG). Die zweite Stufe betrifft die Verhütung übertragbarer Krankheiten (§§ 15a ff. IfSG). Insoweit sind besondere Ermächtigungsgrundlagen für Fälle vorgesehen, in denen eine übertragbare Krankheit aufzutreten droht. Sie werden ergänzt um Regelungen zur Schutzimpfung. Ist das Auftreten der übertragbaren Krankheit nicht mehr zu verhindern, greift die dritte Stufe von Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten ein, wie sie im 5. Abschnitt des IfSG (§§ 24 ff. IfSG) geregelt ist.

Im Rahmen der Bekämpfung der COVID 19‑Infektionen und zur Eindämmung des Corona Virus SARS CoV 2 wurden seit März 2020 vielfältige Maßnahmen auf Grundlage des 5. Abschnitts des IfSG erlassen. Das Gesetz sieht neben der allgemeinen Ermächtigungsgrundlage des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG zur Anordnung „notwendiger Schutzmaßnahmen“ mehrere spezielle Maßnahmen vor, die die zuständigen Behörden zu ergreifen haben, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung der übertragbaren Krankheit erforderlich ist. Hierzu gehören Beschränkungen und Verbote von Veranstaltungen oder Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen (§ 28 Abs. 1 S. 2 IfSG). Kitas, Schulen und andere Gemeinschaftseinrichtungen sind ausdrücklich einbezogen (§§ 28 Abs. 1 S. 2, 33 IfSG). Gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern von Krankheitserregern können besonders geregelte Maßnahmen angeordnet werden, nämlich die Beobachtung der Betroffenen (§ 29 IfSG), die Absonderung bzw. Quarantäne (§ 30 Abs. 1 S. 2 IfSG) und das berufliche Tätigkeitsverbot (§ 31 IfSG). All diese Maßnahmen dürfen auch von der Landesregierungen durch den Erlass von Rechtsverordnungen angeordnet werden (§ 32 IfSG).

Maßnahmen, die auf der Grundlage des IfSG ergriffen wurden oder ergriffen werden sollen, werfen zumeist eine Vielzahl an Einzelfragen auf. So stellt sich stets die Frage der Verhältnismäßigkeit, der jede der getroffenen Anordnung gerecht werden muss. Viele der getroffenen Maßnahmensind mit Grundrechtseinschränkungen bislang ungekannten Ausmaßes verbunden und erfordern eine sorgsame Abwägung zwischen Gesundheitsschutz und Grundrechten. Auch die Frage der Zuständigkeit gilt es für jede einzelne Maßnahme zu beantworten. Die betrifft nicht nur die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, sondern auch die jeweilige Entscheidungsgewalt von Landesregierungen, Gesundheitsämtern und anordnenden Behörden. Inzwischen stellen sich zudem vornehmlich auch entschädigungsrechtliche Fragen. Insoweit sind die besonderen Regelungen zu beachten, die das Infektionsschutzgesetz in §§ 56 und 65 IfSG bereithält, sowie ihr Verhältnis zum allgemeinen Staatshaftungsrecht.

Änderungen des Infektionsschutzgesetzes

Mit dem Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite sind am 28. und 30. März 2020 erste Änderungen des Infektionsschutzgesetzes in Kraft getreten. Kern dieser ersten Novelle ist die Einführung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite, die vom Bundestag festzustellen ist und umfangreiche Kompetenzen des Bundesministeriums für Gesundheit freigibt (§ 5 IfSG). So werden insbesondere bundeseinheitliche Maßnahmen im Umgang mit Reisenden und zur Sicherstellung der Grundversorgung im Gesundheitswesen ermöglicht. Die epidemische Lage von nationaler Tragweite führt außerdem dazu, dass bestimmte Personengruppen außerhalb der Ärzteschaft heilkundliche Tätigkeiten ausüben dürfen (§ 5a IfSG). Der Gesetzgeber hat zudem die Ermächtigungsgrundlage des § 28 IfSG für Schutzmaßnahmen neu gefasst. So ist nunmehr für den Erlass von Ansammlungsbeschränkungen nicht mehr erforderlich, dass es sich um eine „größere Anzahl“ von Menschen handelt. Beschränkungen der Freiheit, einen Ort zu verlassen oder aufzusuchen, sind nun unter weniger strengen Voraussetzungen möglich. Schließlich ist mit § 56 Abs. 1a IfSG ein neuer Entschädigungsanspruch eingeführt worden, der erwerbstätigen Sorgeberechtigten bei Verdienstausfällen infolge von Kita und Schulschließungen zugutekommt. Die meisten Änderungen dieser Gesetzesnovelle sind zeitlich befristet und treten am 31. Dezember bzw. am 31. März 2021 außer Kraft.

Mit dem Zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Trageweite sind zum 14. und 23. Mai 2020 weitere Neuerungen in Kraft getreten. Sie betreffen vor allem das Meldewesen sowie die Beratung durch die Gesundheitsämter. Außerdem ist die Antragsfrist für Entschädigungen nach § 56 IfSG auf zwölf Monate verlängert worden.

Aktuelle Entwicklungen

Im besonderen Fokus der rechtlichen Debatte stehen die von den Ländern erlassenen Rechtsverordnungen. Sind diese und die darin ergriffenen Maßnahmen von den infektionsschutzrechtlichen Rechtsgrundlagen der §§ 28 ff. IfSG abgedeckt, werden sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht und wahren sie den Gleichbehandlungsgrundsatz? Zu nahezu allen betroffenen Lebensbereichen sind inzwischen zahlreiche Gerichtsentscheidungen ergangen.

Die Maßnahmen werfen je nach Ausgestaltung weitere Fragen auf, die mitunter kontrovers diskutiert werden, wie etwa Umfang, Reichweite und Dauer der Kontaktbeschränkungen, die stufenweise Öffnung von Läden und anderen Einrichtungen mit Publikumsverkehr oder auch die Bestimmtheit von Verboten und Bußgeldern.

Zugleich zeichnet sich ab, dass die Entschädigungsregelung des § 56 IfSG mehr und mehr in das Zentrum der Aufmerksam rückt. Zahlreiche Bundesländer koordinieren die Verfahren zur Stellung von Entschädigungsanträgen inzwischen mithilfe des Bundes über das Onlineportal ifsg‑​online.de. Kontrovers diskutiert wird, ob mit § 56 IfSG eine abschließende Regelung vorliegt oder sich diejenigen, denen dieser spezielle Entschädigungsanspruch nicht unmittelbar zugutekommt, in gleichgelagerten Fällen auf eine analoge Anwendung oder Anspruchsgrundlagen des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts berufen können.

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