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Gebäudetyp E – Regeln der Technik Ade?

06.11.2024 Bundesregierung beschließt Entwurf eines Gesetzes zur zivilrechtlichen Erleichterung des Gebäudebaus (Gebäudetyp‑E‑​Gesetz) – Wie geht es weiter?

Die jüngste bundespolitische Entwicklung mag die Frage aufwerfen, welche Zukunft der brandaktuelle Regierungsentwurf eines Gesetzes zur zivilrechtlichen Erleichterung des Gebäudebaus (Gebäudetyp‑E‑​Gesetz) vom 06.11.2024 haben wird. Angesichts des allgemein gesehenen Bedarfs an einem unkomplizierten Gebäudetyp und der Vorbereitung in der Musterbauordnung ist weder eine Verabschiedung des Gesetzes in der restlichen Legislaturperiode ausgeschlossen noch eine zeitnahe Verabschiedung in einem neuen Bundestag.

E wie einfach oder experimentell; mit diesen Adjektiven haben die Architektenkammern ihre Initiative für innovative Ansätze beim Planen und Bauen beschrieben, die bereits Ende 2022 auf der Bundeskammerversammlung beschlossen wurde. Angesichts einer allgemein konstatierten Überfrachtung des Bauens mit Anforderungen aus unzähligen technischen Regelwerken sowie angesichts stark gestiegener Baupreise sollte dadurch die Baukonjunktur angekurbelt werden. Ein maßgeblicher Ansatz bestand darin, unter Beibehaltung notwendiger Sicherheitsstandards die Möglichkeit zu schaffen, von bislang zwingenden bautechnischen Komfortstandards erleichtert abzuweichen.

Die Bundesregierung hatte diese Initiative in ein Maßnahmepaket aufgenommen, um einfacheres, schnelleres, günstigeres und nachhaltiges Bauen zu befördern. Nach einer durch die Bauministerkonferenz der Länder bereits auf öffentlich- rechtlicher Ebene geschaffenen Anpassung der Musterbauordnung zur vereinfachten Zulassung von bauordnungsrechtlichen Abweichungen wurde nunmehr im Anschluss an den Referentenentwurf vom Juli 2024 am 06.11.2024 durch die Bundesregierung der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur zivilrechtlichen Erleichterung des Gebäudebaus (Gebäudetyp‑E‑​Gesetz) verabschiedet.

Nach geltender Rechtslage ist die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik bei Bauverträgen regelmäßig als Mindeststandard geschuldet. Die Nichteinhaltung der aaRdT führt dementsprechend zu einem Mangel und einer Haftung des Unternehmers. Abweichungen von den aaRdT können nur engen Voraussetzungen vereinbart werden. In dieses Regelungssystem greift der Regierungsentwurf zum Zwecke der Erleichterung eines vereinfachten und kostengünstigen Bauens mit im Wesentlichen drei Änderungen ein.

Die erste Änderung liegt in einer gesetzlichen Neuregelung zu technischen Regeln, die ohne ausdrückliche Vereinbarung künftig nicht (mehr) automatisch zur vertraglichen Leistungsplicht des Unternehmers gehören. Dies betrifft zunächst solche Regeln, welche ausschließlich Komfort- oder Ausstattungsmerkmale zum Inhalt haben. Weiterhin soll dies auch für Regeln gelten, welche die Nutzung von innovativen, nachhaltigen oder kostengünstigen Bauweisen erschweren und welche in einer Rechtsverordnung der Bundesregierung (noch) explizit benannt werden. Insoweit ist eine gesetzliche Verordnungsermächtigung der Bundesregierung vorgesehen.

Werden diese technischen Regelwerke (Komfort‑/​Ausstattung oder ausdrücklich per Verordnung benannte Regeln) nicht explizit vertraglich vereinbart, sollen diese künftig auch nicht mehr zum Leistungssoll gehören, und zwar ganz gleich, ob es sich hierbei um aaRdT handelt oder nicht. Ist der Besteller Verbraucher, so bestimmt der Gesetzesentwurf gleichzeitig eine Aufklärungspflicht dahingehend, dass er vor Abschluss des Vertrages darauf hinzuweisen ist, in welchen „Baubereichen“ von den technischen Regeln und Normen abgewichen werden soll. Diese Neuregelung soll für Bauverträge wie auch Architekten- / Ingenieurverträge und Bauträgerverträge gleichsam gelten.

Weiterhin soll ein neuer Vertragstypus des „Gebäudebauvertrages zwischen fachkundigen Unternehmern“ geschaffen werden und in diesem Verhältnis eine erleichterte vertragliche Vereinbarung über Abweichungen von den aaRdT ermöglicht werden. Bislang ist eine solche „Beschaffenheitsvereinbarung nach unten“ nach der Rechtsprechung des BGH nur unter strengen Aufklärungs- und Hinweispflichten des Unternehmers möglich. Für Bauverträge über Gebäude zwischen fachkundigen Unternehmern soll eine solche Vereinbarung künftig auch ohne Aufklärung über Risiken und Konsequenzen möglich sein. Zusätzlich soll eine Regelung eingefügt werden, wonach bei derartigen Verträgen auch ohne eine solche Vereinbarung eine Abweichung von den aaRdT dann keinen Mangel darstellt, wenn die Abweichung dem Besteller vor Ausführung der Bauleistung angezeigt wird, der Besteller nicht unverzüglich widersprochen hat und die dauerhafte Sicherheit, Eignung und Ausführungsqualität dennoch gewährleistet sind.

Zu begrüßen ist, dass das Thema weiterverfolgt wurde. Der Regierungsentwurf wurde gegenüber dem inhaltlich an vielen Stellen kritisierten Referentenentwurf in Teilen grundlegend überarbeitet. Es stellen sich weiterhin einige Fragen zur Praktikabilität und den Auswirkungen der Regelungen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die (unverändert gebliebene) Schaffung eines bauvertraglichen Sonderrechts (nur) für Bauverträge über Gebäude zwischen „fachkundigen“ Unternehmern und den Auswirkungen in der Leistungskette. Klärungsbedürftig scheinen auch die Wechselwirkungen und Konfliktpotentiale mit der VOB/B.

Unter den aktuellen Gegebenheiten kann nicht vorhergesagt werden, wie und wann es mit dem Gesetzgebungsverfahren weitergeht. Die Überlegungen des Regierungsentwurfs werden aber sicher in der weiteren Diskussion Berücksichtigung finden. Wir werden Sie über Neuerungen auf dem Laufenden halten.

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