‑- (Leitsätze nach BGH, Urteil vom 22.10.2020 – VII ZR 10/17)
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einen VOB/B‑Vertrag – u. a. wegen Mehrvergütungsansprüchen wegen einer Vergabeverzögerung und eines Baustopps – auf Zahlung von Restwerklohn in Anspruch.
Auf die Ausschreibung der Beklagten gab die Klägerin am 15. Februar 2007 ein Angebot ab. Die Zuschlagsfrist war auf den 2. April 2007 bestimmt. Die Geltung der VOB/B (2006) war vereinbart. In den Besonderen Vertragsbedingungen war vorgesehen, dass die Ausführung frühestens 36 Werktage nach Zuschlagserteilung beginnen und spätestens am 31. Juli 2008 beendet sein sollte.
Nachdem die Beklagte die Bindefrist mit Zustimmung der Klägerin mehrmals verlängert hatte, erteilte sie der Klägerin am 22. Juni 2007 den Zuschlag auf ihr Angebot. Mit Schreiben vom 5. Juli 2007 übergab die Klägerin einen an den verspäteten Zuschlag angepassten Bauablaufplan, wonach die Baustelleneinrichtung am 27. August 2007 beginnen und am 17. Oktober 2008 fertiggestellt sein sollte.
Da Schacht- und Erlaubnisscheine für die Arbeiten auf dem Gelände der D. AG nicht rechtzeitig vorlagen, war ein Baubeginn zum 27. August 2007 nicht möglich. Nach Erteilung der Bauerlaubnis begannen die Arbeiten am 19. November 2007. Die Klägerin führte die Arbeiten bis zum 2. September 2009 aus. Die Klägerin meldete Mehrkostenansprüche wegen verzögerter Zuschlagserteilung und der durch den Baustopp eingetretenen Bauverzögerung an.
Die Klägerin macht mit der Klage u. a. Mehrvergütungsansprüche geltend, die aus der verzögerten Vergabe und aus dem von der Beklagten verhängten Baustopp resultieren. Gegenstand der Mehrvergütungsansprüche sind auch Kosten für ein Privatgutachten im Umfang von 80.505,74 Euro brutto, welches die Klägerin in Vorbereitung auf die Schlussrechnung und zur Ermittlung der verzögerungsbedingt entstandenen Mehrkosten eingeholt hat.
Der für das Baurecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Kosten eines Privatgutachtens, die der Auftragnehmer zur Ermittlung der Vergütung nach § 2 Abs. 5 VOB/B aufwendet, nach dieser Vorschrift nicht vom Auftraggeber als Teil der Mehrkosten zu erstatten sind. So können Kosten, die zur Ermittlung der Vergütung nach § 2 Abs. 5 VOB/B aufgewendet werden, nach Auffassung des Senats nicht selbst Gegenstand dieser Vergütung sein.
Grund hierfür ist, dass § 2 Abs. 5 VOB/B die Verpflichtung der Vertragsparteien zur Vereinbarung eines neuen Preises unter Berücksichtigung von Mehr- und Minderkosten regele, wenn durch eine Änderung des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert werden. Dies ist bei der gebotenen objektiven Auslegung dahin zu verstehen, dass die Parteien bei der Vereinbarung des neuen Preises die Mehr- und Minderkosten berücksichtigen sollen, die im Zusammenhang mit der Ausführung der betroffenen vertraglich vereinbarten Leistung anfallen. Hierzu gehören jedoch nicht die Kosten, die erforderlich sind, um im Falle einer fehlenden Vereinbarung der Parteien die geschuldete Vergütung erst zu ermitteln oder darzulegen.
Der Bundesgerichtshof stellt weiterhin klar, dass der Auftragnehmer die Kosten eines Privatgutachtens zur Ermittlung und Darlegung der nach § 2 Abs. 5 VOB/B vom Auftraggeber geschuldeten Vergütung auch nicht auf der Grundlage der Bestimmung in § 2 Abs. 9 Nr. 1 VOB/B erstattet verlangen kann. Zwar hat der Auftraggeber Zeichnungen, Berechnungen oder andere Unterlagen, die der Auftragnehmer nach dem Vertrag nicht zu beschaffen hat, zu vergüten, wenn er sie vom Auftragnehmer verlangt. Allerdings liegt ein solches Verlangen des Auftraggebers gegenüber dem Auftragnehmer, ein Gutachten über die Höhe der nach § 2 Abs. 5 VOB/B zu beanspruchenden Vergütung vorzulegen, nicht bereits in der Änderung des Bauentwurfs, einer anderen Anordnung des Auftraggebers oder der verspäteten Zuschlagserteilung.
Der Senat hat in der Entscheidung ebenfalls klargestellt, dass dies entsprechend gilt, soweit eine Mehrvergütung in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Abs. 5 VOB/B aufgrund einer verzögerten Vergabe in Betracht kommt.
Ob die vom BGH grundsätzlich für möglich gehaltene Erstattung der Kosten als Schadensersatz in Betracht kommt, hat der BGH aufgrund noch fehlender Feststellungen zum Sachverhalt offengelassen.
Der für das Baurecht zuständige VII. Zivilsenat beendet mit dem Urteil einen in der instanzgerichtlichen Entscheidungspraxis und der juristischen Literatur bestehenden Meinungsstreit hinsichtlich der Vergütungsfähigkeit von Nachtragsbearbeitungskosten (siehe zum Streitstand auch Merkens in: NZBau 2012, 529).
Die Entscheidung hat gravierende Auswirkung auf die Baupraxis und deren Umgang mit Nachtragsbearbeitungskosten, die gerade bei komplexen und umfangreichen baubetrieblichen Nachtragsachverhalten in Form von Gutachterkosten erhebliche Umfänge erreichen können. So wird durch Auftragnehmer in einer Vielzahl von Fällen zur Begründung bauzeitlicher und baubetrieblicher Nachtragsforderungen und zur Ermittlung der hieraus folgenden Mehrvergütungsansprüche auf Sachverständigengutachten zurückgegriffen. Diese Kosten wurden bislang regelmäßig als sogenannte externe Nachtragsbearbeitungskosten als Teil der Nachtragsvergütung geltend gemacht. Entsprechende Forderungen der Auftragnehmer stellen sich nun als unbegründet dar.
Zukünftig wird sich gerade bei aufwendig aufzuarbeitenden Nachtragssachverhalten für den Auftragnehmer die Frage stellen, ob es sich lohnt, für die Ermittlung und Darstellung der Mehrvergütung nach § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B auf sachverständige Hilfe zurückzugreifen, auf deren Kosten der Auftragnehmer im Zweifel sitzen bleibt.
Pascal Göpner
senior associate
attorney
(goepner@redeker.de)
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