Mit der Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB hat der Gesetzgeber einen Anspruch geschaffen, der den Anspruch des Unternehmers auf Vergütung während und nach der Ausführung absichern und so das Vorleistungsrisiko des Unternehmers verringern soll. Vor dem Hintergrund, dass gegen den Anspruch nur begrenzte Aufrechnungsmöglichkeiten und Einwendungen bestehen und der Unternehmer bei nicht (rechtzeitiger) Stellung der Sicherheit durch den Besteller die Leistung verweigern und den Vertrag kündigen kann, hat die Vorschrift eine hohe praktische Relevanz erlangt – zumal sich zahlreiche bislang nicht abschließend beantwortete Fragestellungen eröffnen. Zuletzt haben sich das OLG München und das OLG Oldenburg mit der Anwendbarkeit der Regelung bei Verträgen befasst, bei denen sich nicht um reine Bauverträge handelte – im Ergebnis mit unterschiedlichem Ausgang.
Der Entscheidung des OLG München lag ein Vertrag über die Errichtung zweier Geothermiekraftwerke zugrunde. Die Klägerin (AN) hatte die Aufgabe, die Kraftwerke zu errichten und die Herstellungskosten aufzubringen. Nach Fertigstellung der Anlagen auf dem Grundstück sollte die Klägerin diese an die Beklagte (AG) verpachten. Die Beklagte sollte für einen festen Zeitraum ab Abnahme monatlich Teilbeträge als Pacht zahlen. Das Kraftwerk sollte zunächst im Eigentum der Klägerin verbleiben, die Erlöse aus der Stromproduktion sollten der Beklagten zufließen. Erst nach Ablauf des Pachtzeitraums sollte das Eigentum am Großkraftwerk automatisch und ohne weitere Zahlung in das Eigentum der Beklagten übergehen.
Die Klägerin schloss die Errichtung ab. Eine Abnahme des Großkraftwerkes hat seither nicht stattgefunden. Die Beklagte beruft sich u. a. auf Mängel des Kraftwerks. Die Klägerin forderte eine Sicherheit nach § 650f BGB über rund 52 Mio. € von der Beklagten. Diese kam dem Sicherungsverlangen nicht nach.
Das Gericht stellt fest, dass es bei dem Vertrag zwar um die Errichtung eines Bauwerks im Sinne von § 650a BGB gehe. Dennoch handle es sich bei dem „Errichtungs- und Pachtvertrag“ um einen typengemischten Vertrag, da er Elemente eines Bauvertrags mit bauvertragsuntypischen Elementen kombiniere, wie der Verpflichtung der Klägerin, das Großkraftwerk nach seiner Fertigstellung an die Beklagte zu verpachten. Abweichend von § 632a Abs. 1 S. 1 BGB hätten die Parteien insbesondere keine Abschlagszahlungen und keine Fälligkeit der Vergütung bei Abnahme vereinbart. Weiterhin enthielte der Vertrag Elemente des Finanzierungsleasings, sodass der Schwerpunkt des Vertrags insgesamt nicht im Baurecht liege. Eine Aufspaltung der einzelnen Leistungsbestandteile sei nach ständiger Rechtsprechung des BGH nicht vorzunehmen, die Eigenart des Vertrages sei in seiner Gänze zu würdigen. Hiernach sei bei dem vorliegenden Vertrag kein klarer Schwerpunkt erkennbar. Die bauvertraglichen Elemente sowie die Pacht- und Finanzierungsbestandteile des Vertrags stünden gleichberechtigt nebeneinander.
Zwar setze der Sinn und Zweck der Regelung des § 650f BGB nicht zwingend voraus, dass der Schwerpunkt des Vertrags im Baurecht zu liegen habe. Sinn und Zweck der Regelung sei es, dem Unternehmer möglichst schnell und effektiv eine Sicherheit im Fall ausbleibender Zahlung des Bestellers zu verschaffen, um so das Vorleistungsrisiko des Unternehmers zu mildern. Vorliegend sei jedoch gerade eine uneingeschränkte Vorleistungspflicht des Unternehmers wesentlicher Bestandteil des Vertrags gewesen. § 650f BGB komme nicht zur Anwendung, da die die Eigenart des Vertrages hierdurch nicht zutreffend gewürdigt würde. Maßgeblich sei hier eine Auslegung im jeweiligen Einzelfall. Eine Entscheidung des BGH steht aus (BGH – VII ZR 85/24).
Der Entscheidung lassen sich die folgenden Kernpunkte entnehmen:
Das OLG Oldenburg entschied in einer Konstellation, in der die Beklagte (AG) die Klägerin mit Leistungen im Rahmen des Umbaus eines Cafés beauftragt hatte. Die Parteien schlossen hierzu zwei Verträge, von denen sich einer auf die Lieferung der Küchengeräte (Lieferung von Küchengeräten, ‑zubehör und ‑möbeln) und der andere sich auf die verschiedene Einbauleistungen (Einbau der Küchengeräte sowie Verlegung von Eichendielen) bezog. Beiden Verträgen sollten die AGB der Klägerin sowie die VOB/B zugrunde liegen. Eine Abnahme wurde durch die Beklagte unter Verweis auf Mängel nicht erklärt. Auch hier verlangte die Klägerin von der Beklagten die Stellung einer Sicherheit nach § 650f BGB im Hinblick auf ausstehende Zahlungen hinsichtlich beider Verträge. Als die Beklagte dem hinsichtlich beider Verträge nicht nachkam, kündigte die Klägerin beide Verträge. Die Klägerin verlangt nun restliche (Kündigungs‑)Vergütung.
Das OLG geht zunächst davon aus, dass zwei voneinander zu unterscheidende Verträge vorliegen, die trotz des inhaltlichen Zusammenhangs keine Einheit darstellen. Bei dem Vertrag über die Lieferung der Küchengeräte handle es sich um einen Werkliefervertrag gem. § 650 BGB, auf den im Wesentlichen Kaufrecht Anwendung finde. Bei dem Vertrag über die geschuldeten Bodenbelags- und sonstige Innenausbauarbeiten handle es sich um einen Bauvertrag „zumindest im Sinne des § 650a Abs. 2 BGB“.
Die Aufforderung der Klägerin zur Leistung der Sicherheit nach § 650f BGB für den als Werkliefervertrag zu qualifizierenden Vertrag über die Lieferung der Küchengeräte ebenso wie die hierauf folgende Kündigung des Vertrags liefe ins Leere. Die Vorschrift des § 650f BGB sei auf Werklieferverträge nicht anwendbar.
Anders stelle sich die Situation im Rahmen des Vertrags hinsichtlich der Bodenbelags- und Innenausbauarbeiten dar. Hier sei das Sicherungsverlangen berechtigt und der Vertrag durch die Klägerin wirksam gem. § 650f Abs 1 und Abs. 5 Alt. 2 BGB gekündigt worden. Dass sich das Sicherungsverlangen sowohl auf den Bauvertrag als auch unberechtigterweise auf den Werklieferungsvertrag bezog und insoweit zu hoch ausfiel, stehe der Berechtigung der Kündigung nicht entgegen, da die Beklagte das Stellen der geforderten Sicherheit insgesamt zurückgewiesen hatte.
Zusammenfassend lässt sich insoweit festhalten:
Nicht selten stehen Bauleistungen im Zusammenspiel mit Leistungen, die nicht (unmittelbar) dem Bauvertragsrecht zuzuordnen sind – seien dies Finanzierungskomponenten, vereinbarte Miet‑/Pachtleistungen oder kaufvertragliche Leistungen. Die Abgrenzung, ob es sich bei diesen Leistungen um untergeordnete Nebenleistungen, um voneinander unabhängige Verträge oder um typengemischte Verträge handelt – und wo der Schwerpunkt eines solchen Vertrags dann liegt – ist eine Frage der Auslegung der Vereinbarungen im jeweiligen Einzelfall. Von daher ist auch die Anwendbarkeit der Regelung des § 650f BGB für jede vertragliche Situation neu zu betrachten. Wie die Entscheidung des OLG München zeigt, soll die Regelung des § 650f BGB selbst auf einen gemischten Vertrag anwendbar sein, wenn der Schwerpunkt des Vertrags nicht im Bauvertragsrecht liegt. Gleichermaßen kann die Regelung des § 650f BGB mit dem Sinn und Zweck eines gemischten Vertrags (ohne klaren Schwerpunkt) unvereinbar sein, obwohl dieser in nicht unerheblichem Umfang klassische Bauleistungen betrifft.
Vor diesem Hintergrund eröffnen sich sowohl für den Auftraggeber, der ein Sicherungsverlangen des Auftragnehmers nach § 650f BGB zurückweist als auch für den Auftragnehmer, der aufgrund dessen die Leistungen einzustellen oder gar den Vertrag zu kündigen gedenkt, erhebliche Unsicherheiten im Hinblick auf die mitunter erheblichen Folgen einer solchen Leistungsverweigerung oder Vertragsbeendigung.
Dieser Unsicherheit kann im Wege der Vertragsgestaltung nur begrenzt und auch nur im Rahmen einer individuellen Vereinbarung begegnet werden. Möchten die Parteien die Regelung des § 650f BGB auch auf eine nicht bauvertragliche Komponente eines Projekts erstrecken, wäre dies – wie das OLG Oldenburg feststellt – im Wege von AGB nicht möglich, da die Klausel mit den grundlegenden Regelungen des Kaufrechts nicht zu vereinbaren wäre. Nichts anderes dürfte für Miet- oder Pachtverträge gelten. Umgekehrt können die Parteien den Anspruch auf das Stellen einer Bauhandwerkersicherheit im Rahmen einer als Bauvertrag zu qualifizierenden Vereinbarung weder im Rahmen von AGB noch individualvertraglich ausschließen, wie § 650f Abs. 7 BGB klarstellt. Hierauf ist sowohl bei der Vertragsgestaltung als auch im Rahmen laufender Projekte besonderes Augenmerk zu legen.
Dr Alexander Schüßler
counsel
attorney
(schuessler@redeker.de)
Ist für die Teilleistung „Verkehrssicherung“ ein eigenes Fachlos zu bilden? Mit dieser Frage hatte sich im Februar 2024 die VK Bund zu befassen (vgl. VK Bund, Beschluss vom 29.02.2024, VK 2‑17/24).
Die Antragsgegnerin schrieb im Wege der Gesamtvergabe Baumaßnahmen für den Ausbau eines Streckenabschnitts aus. Zugleich sah sie ein sog. Verfügbarkeitskostenmodell vor, wonach die Bauzeit durch die Bieter vorzugeben war. Die Antragstellerin rügte die unterlassene Vergabe der Verkehrssicherungsleistungen als Fachlos. Nach unterbliebener Abhilfe stellte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag, den sie im Wesentlichen damit begründete, es gäbe eine Vielzahl an Unternehmen für Verkehrssicherungsleistungen auf dem Markt. Zeitliche Verzögerungen durch eine Fachlosvergabe seien mit Blick auf das in § 97 Abs. 4 S. 3, 4 GWB normierte Regel‑Ausnahme‑Verhältnis hinzunehmen, zumal die von der Antragsgegnerin benannten Gründe u. a. sehr abstrakt seien. Ein Absehen von Fachlosen mit dem Argument, dass die Auftraggeberin erst nach Erteilung des Hauptauftrags fähig sei, Fachlos auszuschreiben, sei nicht möglich.
Dem folgt die VK Bund nicht. Die Vergabekammer stellt zwar klar, dass für die Teilleistung „Verkehrssicherung“ ein eigenständiger fachlicher Markt besteht, sodass grundsätzlich Fachlose zu bilden sind. Ebenso wiegt das Gebot der Losvergabe gerade bei einer Fachlosvergabe besonders schwer. Allerdings liegen wirtschaftliche oder technische Gründe im Sinne des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB vor, die im vorliegenden Fall eine Gesamtvergabe erfordern. Die Erforderlichkeit ist dabei allgemein nicht erst bei einer Alternativlosigkeit des Losverzichts anzunehmen, sondern als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu verstehen. Solche verhältnismäßigen Gründe sind – bezogen auf das konkrete Bauvorhaben und dessen Besonderheiten
Die Vergabekammer weist zudem darauf hin, dass die Antragsgegnerin hier als Sachwalterin von Interessen der Allgemeinheit und nicht aus Eigeninteresse handelt.
Eine klare Linie für jede Vergabe von Bau- und damit verbundene Verkehrssicherungsleistungen lässt sich dieser Entscheidung sicherlich nicht entnehmen. Die aufgestellten Grundsätze können jedoch – immer bezogen auf den Einzelfall – als Argumentationshilfe für eine praxistaugliche und vergaberechtskonforme Entscheidung zur Fach- oder Gesamtvergabe – auch außerhalb des Straßenbaus – herangezogen werden. Wie sich die Rechtsprechung in dieser Sache zukünftig positionieren wird, sollte dabei natürlich immer im Blick behalten werden.
Sarah‑Maria Gerber
associate
attorney
(gerber@redeker.de)
This newsletter does not constitute individual legal advice and is intended solely to provide information on selected topics. If you have any questions regarding the newsletter, please contact a named contact person.