Die EU‑Konformität der verbindlichen Höchst- und Mindestsätze der HOAI ist seit längerem umstritten. Die Kommission sieht darin einen Verstoß gegen die Dienstleistungsrichtlinie und die Niederlassungsfreiheit. Sie hat deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland vor dem EuGH eingeleitet. Die Bundesregierung hält die HOAI dagegen für europarechtskonform. Die Mindest- und Höchstsätze seien erforderlich, um die Qualität von Planungsleistungen zu sichern und die Verbraucher zu schützen.
In seinen heute veröffentlichten Schlussanträgen schließt sich der Generalanwalt am EuGH der Kommission an. Die Pflicht zur Einhaltung der Mindest- und Höchstsätze stelle einen Verstoß gegen die Dienstleistungsrichtlinie sowie eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar. Ausländischen Planungsbüros werde es unmöglich gemacht, sich über einen Preiswettbewerb auf dem deutschen Markt zu etablieren. Dass die Regelung zur Qualitätssicherung und für den Verbraucherschutz geeignet und erforderlich sei, habe Deutschland nicht nachweisen können. Namentlich zeige das von der Bundesregierung vorgelegte ökonomische Gutachten nicht auf, dass ohne verbindliche Honorarregelungen Dienstleistungen guter Qualität vom Markt gedrängt würden.
Dementsprechend empfiehlt der Generalanwalt dem EuGH, die verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der HOAI für europarechtswidrig zu erklären.
Die Schlussanträge des Generalanwalts sind nur eine unverbindliche Empfehlung, liegen aber meist auf einer Linie mit der späteren Entscheidung. Mit dem endgültigen Urteil des EuGH ist in etwa drei Monaten zu rechnen.
Sollte der EuGH seinem Generalanwalt folgen, müsste der Gesetzgeber die Pflicht zur Einhaltung der Mindest- und Höchstsätze schnellstmöglich abschaffen. Außerdem könnten sich Planer und Bauherren regelmäßig nicht mehr auf die HOAI berufen, um eine Über- oder Unterschreitung des Honorarrahmens gerichtlich korrigieren zu lassen. Entgegen einer häufiger geäußerten Einschätzung hätte das EuGH‑Urteil also nicht nur Auswirkungen für die Zukunft.
Die sonstigen Regelungen der HOAI blieben von der Entscheidung aber grundsätzlich unberührt. Auch könnten die Honorarvorschriften als unverbindlicher Orientierungsrahmen bestehen bleiben, von dem durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Eine ähnliche Lösung wurde 2016 für die Steuerberatervergütungsverordnung gefunden.
Die Wirksamkeit bestehender Verträge dürfte in aller Regel nicht von der Entscheidung gefährdet werden. Europarechtlich problematisch ist allein die vom Staat vorgegebene Pflicht, Mindest- und Höchstsätze einzuhalten. Planer und Bauherren sind dagegen nicht gehindert, freiwillig ein HOAI‑Honorar zu vereinbaren. Auch ein Wegfall der Geschäftsgrundlage wäre deshalb kaum anzunehmen. Grundsätzlich könnte auch die Auffangvorschrift des § 7 Abs. 5 bestehen bleiben; wurde überhaupt kein Honorar vereinbart, so dürften also wie bisher die Mindestsätze zum Tragen kommen.
Die konkreten Auswirkungen hängen allerdings von den vertraglichen Regelungen im Einzelfall ab. Es empfiehlt sich deshalb, bestehende und geplante Vereinbarungen schon jetzt zu überprüfen.
Dr Matthias Kottmann, Maître en Droit
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