Sehr geehrte Damen und Herren,
der Generalanwalt am EuGH hat seine für den 30. Januar angekündigten Schlussanträge im HOAI‑Vertragsverletzungsverfahren auf den 28. Februar verschoben – das Schicksal der HOAI bleibt also spannend.
Die seit dem 01.01.2019 geltende neue Landesbauordnung NRW soll ein „Klima für Neubau“ in NRW sowie Raum für barrierefreies Wohnen schaffen, den Bürokratiedschungel lichten und unnötige Baukostensteigerungen kappen. Das Bauen soll schneller, kostengünstiger und auch digitaler werden. Mit diesem Newsletter informieren wir Sie über die wesentlichen Änderungen der neuen BauO NRW 2018.
In vielen Verträgen finden sich sogenannte doppelte Schriftformklauseln. Deren Wirksamkeit ist immer wieder Streitgegenstand. Das OLG Brandburg hat sich jüngst mit der Frage befasst. Wir stellen die Entscheidung vor.
Immer wieder stellt sich die Frage, ob fehlende CE‑Kennzeichnungen für sich genommen einen Mangel begründen. Wir stellen dazu eine Entscheidung des OLG Oldenburg vor.
Zum 65. Geburtstags unseres Kollegen Prof. Dr. Burkhard Messerschmidt ist eine Festschrift renommierter Autoren erschienen, auf die wir hinweisen möchten:
Kapellmann, Klaus, Günther Jansen, Dieter Merkens und Thomas Thierau (Hrsg.). Baurecht und Architektenrecht: Festschrift für Burkhard Messerschmidt zum 65. Geburtstag. München, Beck 2018.
Ihr Team Baurecht
Nachdem am 12.07.2018 der Landtag von Nordrhein‑Westfalen das Gesetz zur Modernisierung des Bauordnungsrechts in Nordrhein‑Westfalen beschlossen hatte, ist die neue Bauordnung für das Land NRW (Landesbauordnung 2018 – BauO NRW 2018) am 01.01.2019 in Kraft getreten.
Es handelt sich um eine grundlegende Novelle, mit der die Landesbauordnung stärker an die Musterbauordnung (MBO) angeglichen wird, die den Landesgesetzgebern als Richtschnur dient und auf diese Weise zur Vereinheitlichung der Landesbauordnungen beitragen soll. Die MBO als Grundlage der BauO NRW 2018 wird von der Bauministerkonferenz (BMK), in der alle Bundesländer vertreten sind, ständig aktualisiert. Die MBO ist kein Gesetz und für die Landesgesetzgeber nicht verbindlich; ihre aktuelle Fassung datiert vom 08.11.2002, zuletzt geändert durch Beschluss der BMK vom 13.05.2016.
Unter den Begriff des formellen Bauordnungsrechts werden die Vorschriften über die Zuständigkeit der Bauordnungsbehörden, das einzuhaltende Verwaltungsverfahren und etwaige Formanforderungen an die jeweilige Verwaltungsentscheidung gefasst.
Die wesentlichen Neuerungen fokussieren sich auf die am Bau Beteiligten, das Freistellungsverfahren, die Behandlung des Bauantrages sowie die sog. referentielle Baugenehmigung; hierzu konkret Folgendes:
Schließlich ist der Baubeginn zukünftig vom Bauherrn anzuzeigen, die Fertigstellung des Rohbaus und die abschließende Fertigstellung vom Bauleiter und – falls ein Bauleiter nicht bestellt ist – vom Bauherrn.
Das materielle Baurecht umfasst die Regelungen über die inhaltliche Ausgestaltung des Baurechts.
Ausgehend von einer weitreichenden Angleichung an die Regelungen der MBO beziehen sich die wesentlichen Neuerungen auf die Einführung neuer Gebäudeklassen, den Vollgeschossbegriff, das Abstandsflächenrecht, die Stellplatzpflicht, die Regelungen zur Barrierefreiheit, das Bauen mit Holz, die Baugenehmigung sowie den Bauvorbescheid.
Problematisch ist, ob damit das freie Stapeln von Nicht‑Vollgeschossen, einem „Turmbau zu Babel“ gleich ermöglicht worden ist.
Es „bleibt alles anders“ insofern, als mit dem neuen Bauordnungsrecht auch dem – aus dem öffentlichen Bauplanungsrecht bereits bekannten – Grundsatz der „Innen- vor Außenverdichtung“ (spiegelbildlich) Rechnung getragen wird. Zahlreiche neue Regelungen sollen die Nachverdichtung sowie die Aufstockung und den Ausbau von Wohngebäuden erleichtern.
Bereits in den letzten Wochen vor und den ersten Wochen nach Inkrafttreten der neuen BauO NRW 2018 haben sich viele Fragen „aus der Praxis und für die Praxis“ ergeben, denen sich mittel- und langfristig die Rechtsprechung annehmen wird.
Kurzfristig sind bereits auf der Grundlage der Dienstbesprechungen mit den Bauaufsichtsbehörden im Oktober/November 2018 Handlungsempfehlungen zur Umsetzung der neuen Bauordnung erarbeitet worden, die über die Homepage der obersten Bauaufsichtsbehörde (Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein‑Westfalen [MHKBG NRW]) im Januar 2019 verfügbar gemacht worden sind; die Druckfassung kann unter www.mhkbg.nrw.de/publikationen unter der Veröffentlichungsnummer VNr B‑252 heruntergeladen werden.
Stefan Tysper
associate partner
attorney
(tysper@redeker.de)
‑- OLG Brandenburg (Urteil vom 26.07.2018 – 12 U 11/17 = IBR 2019, 2235)
In den sonstigen Vereinbarungen in Bauverträgen findet sich neben der salvatorischen Klausel und der Gerichtsstandsvereinbarung oft die sogenannte doppelte Schriftformklausel:
„Nebenabreden zu diesem Vertrag sind nicht getroffen. Änderungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Das gilt auch für den Verzicht auf dieses Formerfordernis.“
Damit soll vermieden werden, dass im Zuge der Bauausführung über Besprechungen vor Ort, Baustellenprotokolle etc. Vertragsänderungen herbeigeführt werden. In dem zugrundeliegenden Fall machte der AN eine Zusatzvergütung mit der Behauptung geltend, diese sei im Rahmen einer Baubesprechung mündlich vereinbart worden. Der AG berief sich auf die doppelte Schriftformklausel.
Die Berufung auf die doppelte Schriftformklausel half dem AG nicht. Zwar stehe der behaupteten mündlichen Vereinbarung zunächst einmal die doppelte Schriftformklausel aus dem Bauvertrag entgegen. Da diese aber von dem AG formularmäßig vorgegeben wurde, es sich also um allgemeine Geschäftsbedingungen handelte, stellte sich bereits die Frage, ob diese Klausel wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam ist, weil sie entgegen § 305 b BGB (Vorrang der Individualabrede) den unzutreffenden Eindruck erweckt, Änderungsvereinbarungen seien nur schriftlich möglich. Das Gericht hat das letztlich offengelassen, da § 305 b BGB auch bei einer doppelten Schriftformklausel unmittelbar gilt, damit individuelle, von dem Vertrag abweichende Regelungen nicht zwingend der Schriftform bedürfen.
Im Rahmen von allgemeinen Geschäftsbedingungen sind doppelte Schriftformklauseln nutzlos. In diesen Fällen können Vertragsänderungen in jeder Form, also auch z. B. mündlich bei Baubesprechungen getroffen werden und haben dann gem. § 305 b BGB Vorrang vor der Schriftformklausel. Die Vertragsparteien sind daher gut beraten, sämtliche, auch formlose Änderungsvereinbarungen zu dokumentieren.
Dieter Merkens
partner
attorney
(merkens@redeker.de)
‑- Oberlandesgerichts Oldenburg (Urteil vom 04.09.2018 – Aktenzeichen: 2 U 58/18 ‑NJW‑Spezial 2018, 750; IBR 2018, 622)
Das Landgericht hatte dem Kläger auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens mit ergänzender Anhörung Schadensersatz in Form fiktiver Mängelbeseitigungskosten zugesprochen. Neben verschiedenen weiteren Mängeln habe den eingebauten Fenstern und Rollläden die erforderliche CE‑Kennzeichnung gefehlt.
Das OLG rügte neben weiteren Punkten, das Landgericht habe bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen, dass das bloße Fehlen der CE‑Kennzeichnung keinen Mangel begründe. Die CE‑Kennzeichnung auf der Grundlage der (Bauprodukten‑)Verordnung (EU) Nr. 305/2011 bestätige lediglich die in der Leistungserklärung angegebene Produktleistung. Diese Leistungsangaben müssten dann mit den nationalen Vorgaben erst abgeglichen werden. Die Bauproduktenverordnung regele das Inverkehrbringen, lasse aber nach der EuGH‑Rechtsprechung Raum für private Vereinbarungen über die Beschaffenheit und deren gerichtliche Kontrolle. Eine Aussage über die Einhaltung deutscher allgemein anerkannter Regeln der Technik oder die Verwendbarkeit sei mit der CE‑Kennzeichnung nicht verbunden.
Kritisch ist die Aussage zur CE‑Kennzeichnung von Bauprodukten zu bewerten. Im Ansatz richtig ist, dass die CE‑Kennzeichnung nur die angegebene Leistung des Bauprodukts bestätigt. Diese Leistung ist mit den bauordnungsrechtlichen Anforderungen abzugleichen. Auch sind privatrechtliche Vereinbarungen über die Beschaffenheit zusätzlich zur CE‑Kennzeichnung möglich.
Leider übersieht das Gericht aber, dass die CE‑Kennzeichnung bauordnungsrechtlich schon unabhängig von der Leistung Voraussetzung für die Verwendung ist (vgl. § 16c Abs. 1 der Musterbauordnung). Ein Einschreiten der Bauaufsichtsbehörden ist bereits aufgrund der fehlenden Kennzeichnung gesetzlich ausdrücklich vorgesehen.
Es ist folglich bis auf die Fälle einer ausdrücklich abweichenden Vereinbarung – entgegen der Auffassung des OLG Oldenburg – eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung zur Übereinstimmung mit dem (deutschen) Bauordnungsrecht einschließlich der CE‑Kennzeichnung anzunehmen.
Der BGH (Urteil vom 25.09.1980 – VII ZR 218/79 – NJW 1981, 112) hat entschieden, dass die Verletzung des Bauordnungsrechts unmittelbar das vertragliche Leistungsziel berührt; der Bauherr muss sich nämlich aufgrund öffentlichen Baurechts bis zum Beweis des Gegenteils, also der Führung des Nachweises, so behandeln lassen, als sei die Leistung mangelhaft. Vom Leistungsziel des Vertrages her macht es keinen Unterschied, ob die Leistung technisch mangelhaft ist oder wegen des fehlenden Nachweises oder einer fehlenden CE‑Kennzeichnung der Bauherr sich so behandeln lassen muss, als sei sie ungeeignet. In beiden Fällen kann sie das Werk nicht uneingeschränkt benutzen (so auch für den Fall der früheren Ü‑Kennzeichnung OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.03.2011 – 21 U 6/07 – BeckRS 2011, 19496).
Florian van Schewick
partner
attorney
(vanschewick@redeker.de)
Kapellmann, Klaus, Günther Jansen, Dieter Merkens und Thomas Thierau (Hrsg.). Baurecht und Architektenrecht: Festschrift für Burkhard Messerschmidt zum 65. Geburtstag. München, Beck 2018.
Tysper, Stefan. Das neue Landesbaurecht – „Bleibt alles anders“. In: jurisPR ÖffBauR 2019, Heft 1, Anm. 1
Reidt, Olaf. Editorial: Die Stadt von morgen, das Städtebaurecht von morgen – und von übermorgen? In: BauR 2019, S. I f.
Reidt, Olaf. Bauplanungsrechtliche Anforderungen an die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. In: BauR 2019, S.33 ff.
Merkens, Dieter und Volker Bache. „Ohne Rechnung“ Abrede mit Bauunternehmer: Mängelhaftung des Architekten? Anmerkung zu LG Bonn, Urteil vom 08.03.2018 – 18 O 250/13. In: JurisPR PrivBauR 2019, Heft 1, Anm. 1
Merkens, Dieter. Die Verzinsung von Vergütungsansprüchen im VOB/B‑Vertrag. In: NZBau 2012, 726
Beermann, Raphael. Bauträgerverträge in England und Deutschland. (Schriftenreihe Studien zum Immobilienrecht; 15). Hamburg, Kovač 2018.
Messerschmidt, Burkhard und Wolfgang Voit. Privates Baurecht: Kommentar zu §§ 631 ff. BGB, Kurzkommentierung zur VOB/B, zur HOAI und zum Bauforderungssicherungsgesetz. 3. Aufl. München, Beck 2018.
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